Ab Schuljahresbeginn 2013/2014 haben Kinder mit Behinderung das Recht, die Schule ihrer Wahl zu besuchen. Kommunen fürchten die Kosten.

Stade. Derzeit arbeitet die Stadtverwaltung der Hansestadt Stade an einem Konzept zur Umsetzung der Inklusion an ihren allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Ab dem Schuljahresbeginn 2013/2014 haben Kinder mit geistigem oder körperlichem Handicap das Recht, die Schule ihrer Wahl zu besuchen. Sie sind damit nicht mehr auf den Besuch besonderer Förderschulen eingeschränkt. Mit Einführung der Inklusion werden die Förderschulen geschlossen.

+++Freie Schulwahl für die Eltern behinderter Kinder+++

Inklusion bedeutet, dass in einer Klasse jedes Kind, ob behindert oder nicht, spezielle Förderung erfährt. Im März hatte das Land Niedersachsen die Einführung der Inklusion per Gesetz erlassen. Darüber, dass Inklusion eine gute Voraussetzung dafür ist, allen Kindern, egal welche Handicaps sie haben, gute Startchancen ins Leben zu bieten, sind sich alle Akteure einig. "Aber an diesem Beispiel wird mal wieder deutlich, dass das Land die Musik bestellt, und die Kommunen müssen bezahlen", sagt Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD).

Die Aufgabenteilung ist klar. Das Land zahlt für die Inhalte. Die Kommunen müssen die baulichen Voraussetzungen schaffen. Der CDU-Landtagsabgeordnete Kai Seefried, der an den Beratungen in Hannover zu dem Gesetz teilgenommen hatte, erklärt: "Inklusion ist nicht kostenlos zu haben, aber ich halte es für überaus wichtig, dass wir an das Thema rangehen. Und das Land investiert in die zusätzlichen pädagogischen Anforderungen. Ab dem 1. August bekommen alle Grundschulen in Niedersachsen zwei zusätzliche Lehrerstunden pro Klasse, egal, ob in der Klasse ein behindertes Kind ist oder nicht." Je nach Förderbedarf, der angemeldet werden muss, bekomme die Schule noch einmal drei bis fünf zusätzliche Stunden pro Kind vom Land bezahlt.

An den baulichen Investitionen beteilige sich das Land zwar erst einmal nicht. Allerdings, stellt der Abgeordnete aus Drochtersen in Aussicht, werde es nach der Übergangszeit im Jahr 2018 eine Evaluation geben. "Dann wird ausgerechnet, wie viel die Kommunen tatsächlich für die Inklusion ausgegeben haben. Und dann wird auch überlegt, ob sich das Land über den Finanzausgleich an diesen Kosten auch beteiligen wird."

Ab dem kommenden Schuljahr haben Eltern das Wahlrecht für ihre behinderten Kinder. Aber nicht alle Schulen, ob in der Trägerschaft der Gemeinden, der Städte oder des Landkreises, sind barrierefrei. Wenn die Eltern eines blinden Kindes sich für die Horneburger Oberschule entscheiden, muss die Schule sich auf die besonderen Ansprüche eines sehbehinderten Schülers einstellen. In der Übergangszeit, sagt Corinna Fischer, Sprecherin des Niedersächsischen Kultusministeriums, können die Kommunen in einer interkommunalen Zusammenarbeit auch Schwerpunktschulen einrichten. "Diese Schule muss dann aber in einer zumutbaren Entfernung vom Wohnort des Kindes sein. Was genau das bedeutet, dazu gibt es Rechtsprechungen."

Zu der von Kai Seefried angekündigten Evaluation will sich die Ministeriumssprecherin nicht näher äußern. Es gebe eine Revisionsklausel in dem neuen Gesetz, aber was dann tatsächlich an die Kommunen an Geld zurückgehe, darüber wolle sie nicht spekulieren. Ein Förderprogramm des Landes für Investitionen im Zusammenhang mit der Einführung der Inklusion, sagt Corinna Fischer, gebe es nicht. Unter Paragraf 178 "Überprüfung" heißt es lediglich: "Die Landesregierung überprüft bis zum 31. Juli 2018 die Auswirkungen des Gesetzes zur Einführung der inklusiven Schule vom 23. März 2012."

Die Befürchtung, dass am Ende die Kommunen doch noch auf den Kosten sitzen blieben, sei da, sagt Horneburgs Samtgemeindebürgermeister Gerhard Froelian (SPD). "Unter Umständen kommt auf uns Träger eine Vielzahl von unterschiedlichen Anforderungen an die Räume und die Ausstattung zu, je nach Grad und Art der unterschiedlichen Behinderungen. Und wir müssen unseren Forderungen an das Land dann Gewicht geben. Aber es ist ja leider nicht selten, dass Bund oder Land etwas umsetzen, was die Kommunen am Ende des Tages dann doch alleine bezahlen müssen."

Froelian warnt davor, bestehende Strukturen in der Schullandschaft, vor allem bei den Förderschulen, zu zerschlagen. Er halte es für gefährlich, mit der Einführung der Inklusion auch die Förderschulen zu schließen. Es gebe Kinder und Jugendliche, mit Behinderung, für die eine Betreuung in Förderschulen sinnvoller sei. Die vom Land gestellten zusätzlichen Lehrerstunden hält Bürgermeister Froelian für nicht ausreichend, sondern nur einen "Tropfen auf dem heißen Stein".