Mathias Garms vermittelt Schwerbehinderte. Er sagt: Aufgrund einer schriftlichen Bewerbung allein wird keiner von ihnen eingestellt

Mathias Garms ist Leiter der gemeinnützigen Einrichtung Reha-Aktiv Friedehorst in Buchholz, die Menschen mit hirnorganischen Schäden mithilfe einer 15-monatigen Rehabilitation in den Arbeitsmarkt vermittelt. Der 42 Jahre alte Diplomsozialpädagoge spricht im Abendblatt-Interview über die Schwierigkeiten, Schwerbehinderte in das Berufsleben einzugliedern.

Hamburger Abendblatt:

Nur wenige Arbeitgeber erfüllen die gesetzlich vorgeschriebene Quote, fünf Prozent Schwerbehinderte einzustellen. Viele zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe. Wie erklären Sie sich das?

Mathias Garms:

In erster Linie herrschen bei den Arbeitgebern immer noch Vorurteile, die die Leistungsfähigkeit Schwerbehinderter betreffen. Oft entsteht bei den Unternehmern das Bild eines pflegebedürftigen Rollstuhlfahrers, wenn sie an einen Schwerbehinderten denken. Das entspricht aber nicht der Wirklichkeit.

Sondern?

Garms:

Unserer Klientel in Buchholz beispielsweise sieht man ihre Erkrankung meistens gar nicht an. Hauptsächlich kommen Menschen mit Schädel- und Hirnverletzungen infolge von Verkehrsunfällen zu uns. Andere wiederum haben einen Schlaganfall erlitten. Es gibt aber auch Menschen mit Tumor- und MS-Erkrankungen. Viele Arbeitgeber schreckt die Diagnose, etwa allein das Wort Schlaganfall, schon ab. Außerdem ist es für Arbeitgeber oft schwierig, abzuschätzen, was ein schwerbehinderter Mitarbeiter leisten kann.

Und dann kommen im Arbeitsalltag die Überraschungen?

Garms:

Nein, in der beruflichen Rehabilitationsphase, die bei uns in der Regel 15 Monate dauert, können wir genau feststellen, wo die Kompetenzen und die Defizite jedes Einzelnen sind. Wir decken in unserer Einrichtung mit 24 Plätzen mehrere Tätigkeitsfelder ab: Holz- und Metallverarbeitung, Hauswirtschaft und Service, Gartenpflege, Verwaltung und den kaufmännischen Bereich.

Wo können bei den Schwerbehinderten, die sich in Ihrer Institution auf den Einstieg in den Beruf vorbereiten, später im Alltag Probleme auftreten?

Garms:

Wir hier in Buchholz sind auf Menschen mit hirnorganischen Schäden spezialisiert. Sie zeigen meist Schwächen in der Gedächtnisleistung und in der Konzentrationsfähigkeit.

Wie erfolgreich ist Ihre Institution bei der Vermittlung?

Garms:

Wir haben eine durchschnittliche Integrationsquote von 60 Prozent. Es ist grundsätzlich wichtig, mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen, um Vorbehalte und Bedenken abzubauen. Das zentrale Vermittlungselement ist das Praktikum. Dadurch findet sich ein individueller Zugang zum Arbeitgeber. Die meisten Unternehmen signalisieren dann schon die Bereitschaft, es mit einem Praktikanten zumindest auszuprobieren. Nur aufgrund einer schriftlichen Bewerbung stellt kein Unternehmen einen Schwerbehinderten ein.

Worauf kommt es in der Zusammenarbeit mit Schwerbehinderten an?

Garms:

Es ist vor allem wichtig, den passgenauen Arbeitsplatz zu finden und dann den schwerbehinderten Arbeitnehmer zu fordern, aber nicht zu überfordern. Es sollte ein ganz natürlicher Umgang gepflegt werden. Der Mensch sollte nicht als Schwerbehinderter, sondern als Mitarbeiter wahrgenommen werden. (bwil)