Nach über 300 Jahren wird auf der Orgel der Kirche St. Cosmae wieder das barocke Einweihungsstück gespielt.

Stade. Eigentlich hatte der Orgelbauer Arp Schnitger (1648-1719) im Jahre 1682 wenig Grund, nach Stade zurück zu kehren. Hatte er doch gerade erst der Stadt den Rücken gekehrt und war nach Hamburg gezogen. Der Grund für den Ortswechsel war die Verlobung mit einer Stader Bürgertochter, der Schnitger offenbar nicht mehr gerecht werden wollte. Eine Stader Landgerichtsakte aus demselben Jahr belegt, dass der Vater der verschmähten Braut veranlasste, "diese Eheversprechung von Rechtswegen nicht für gültig zuachten undt zuerklähren". Doch damit nicht genug: Der erzürnte Brautvater sorgte auch dafür, dass in Stade ein Gerichtsverfahren gegen Arp Schnitger angestrengt wurde.

Dennoch kam der weltberühmte Orgelbauer, der in Hamburg bereits das Bürgerrecht besaß, noch im selben Jahr in die seit 1648 von den Schweden besetzte Schwingestadt zurück. Der Grund war ein Unglück, dass diesmal nicht privater Natur war.

Schwere Brandschäden hatten 1682 das ehemalige Stader Marienkloster, sowie die angrenzende Kirche schwer beschädigt. Die Flammen hatten auch die Kirchen-Orgel erreicht. Die Schweden, die das ehemalige Kloster während der Zeit ihrer Herrschaft zu ihrem Sitz bestimmt hatten, entschieden sich für eine Reparatur des Instruments.

Die Entscheidung fiel auf Arp Schnitgers. Er sollte die Orgel reparieren. Der nahm den Auftrag an - allerdings nicht ohne sich militärischen Geleitschutz zusichern zu lassen, wie die Akten belegen. Die Begleitung sollte ihn vor der gerichtlichen Vorfolgung (und vielleicht auch vor der ehemaligen Braut) schützen. Nach drei Jahren schließlich waren die Arbeiten 1685 abgeschlossen und die Orgel wieder spielbar.

Das Musikstück, das anlässlich der Einweihung der renovierten Orgel im Jahr 1685 gespielt wurde, ist heute bekannt. Das Stück für Orgel und Streicher mit zwei Singstimmen in Alt und Bass wurde von Moritz Schlöpke (1650-1719) aus Hamburg komponiert, dem damaligen Organisten an der sogenannten "Etatskirche". Die historische Entdeckung ist dem Musikwissenschaftler Konrad Küster zu verdanken, der seit Jahren zu dem Thema forscht. "Die Komposition ist im schwedischen Uppsala erhalten geblieben und ich konnte sie als die Einweihungsmusik der Orgel identifizieren, die bis 1685 durch Schnitger grundlegend renoviert worden war", sagt Küster. Seit über zehn Jahren arbeitet der Forscher von der Universität Freiburg im Breisgau in Norddeutschland zu Orgeln, ihren Erbauern und zeitgenössischen Komponisten.

Am morgigen Freitag schlägt nun eine historische Stunde in der heutigen Kirche St. Cosmae et Damiani. Nach über 300 Jahren wird auf der alten Orgel wieder jenes Lied gespielt werden, dass damals, im Jahr 1685, nach ihrer Renovierung erklang. Die Einweihungsmusik wird im Rahmen der Historikertagung "Auf dem Weg zum modernen Staat - Stade und der Elbe-Weser-Raum unter schwedischer Herrschaft" wiederaufgeführt, auf der schwedische und deutsche Wissenschaftler zu Aspekten der Schwedenherrschaft diskutieren.

Die Tagung ist ebenfalls ein kleines Jubiläum. Denn sie nimmt nach über 20 Jahren die Stader schwedisch-deutschen Historikergespräche wieder auf. Nicht nur fachkundige Gäste, sondern alle historisch und musikalisch interessierten Besucher sind willkommen. Am Konzertabend werden neben der Einweihungsmusik barocke Vokalstücke aus dem Niederelbe-Raum und der schwedischen Hofmusik sowie Orgelwerke von Vincent Lübeck aufgeführt. Es spielen der Stader Kreiskantor Martin Böcker an der Orgel und das Johann Rosenmüller Ensemble aus Frankfurt am Main.