Früher wurden die Häuser nach dem jeweiligen Baufortschritt durchnummeriert. Jetzt soll das Chaos endgültig beendet werden.

Drochtersen. Ein Haus, das über zwei Hausnummern verfügt, gibt es nicht - sollte man meinen. Es sei denn, man lebt in der Gemeinde Drochtersen. Dort sind derzeit nämlich zahlreiche Häuser mit doppelten Nummerierungen versehen, um, so die Gemeinde, "Ortsunkundigen die Orientierung zu erleichtern". Was sich zunächst wie ein schlechter Scherz anhört, hat jedoch bei genauerem hinsehen Hand und Fuß.

Die Gemeinde Drochtersen will mit der Umnummerierungs-Aktion Ordnung in die bestehende Unordnung bringen - denn bisher waren in der Gemeinde die Hausnummern teilweise kreuz und quer in den Straßen verteilt, mal links, mal rechts, mal weiter vorne, mal weiter hinten oder in zweiter und dritter Reihe hinter der Straße. Das Chaos hat einen logischen, aber dennoch kuriosen Hintergrund. In früheren Zeiten wurden die Häuser in Drochtersen nach dem jeweiligen Baufortschritt durchnummeriert. Das hatte zur Folge, dass ein Haus, das zwischen zwei älteren neu gebaut wurde, eine Zahl haben konnte, die die normale Reihenfolge durchbricht. Und da in Drochtersen und Assel früher viel Platz zwischen den einzelnen Häusern zum Bauen zur Verfügung stand, wurden zwischen die bestehenden Häuser zahlreiche neue gebaut, die einfach die nächsten freien Nummern bekamen oder aber mit Buchstabenergänzungen noch zwischen zwei bestehende Hausnummern gezwängt wurden. So konnte zwischen den Hausnummern 19 und 20 beispielsweise die 24, 25 und 25a stehen. "Irgendwann war das Chaos dann komplett", sagt Dirk-Hasso Tetzner von der Drochtersener Gemeindeverwaltung. Er koordiniert derzeit die Neuvergabe der Hausnummern in der Region. Also begann die Gemeinde, das Hausnummerwirrwarr aufzudröseln.

"Es ist nicht das erste Mal, dass hier die Hausnummern neu vergeben werden", sagt Tetzner. Bereits 1972 hat die Gemeinde versucht, Ordnung in die Unordnung zu bringen - allerdings mit mäßigem Erfolg, denn sobald neue Bauflächen ausgeschrieben wurden oder ein großes Grundstück, das vererbt wurde, in zwei kleinere aufgeteilt wurde, ging das Hickhack von vorne los. Ein Ende war und ist nicht in Sicht, denn immer noch werden größere Familiengrundstücke geteilt, um eine Hälfte als neuen Baugrund an Interessenten zu veräußern.

"Es war ja schon ziemlich merkwürdig hier im Ort", erzählt Tetzner, "die Taxis haben die Häuser nicht gefunden, die Post kam nicht mehr überall an und die Notärzte suchten ihre Patienten." Das soll jetzt alles besser werden. Die Straßen wurden Anfang des Jahres neu durchnummeriert, und damit die Orientierung leichter fällt, prangen an den betroffenen Häusern die alten Hausnummern zusätzlich ein Jahr lang an der Außenmauer.

Die Drochtersener hätten, so die Gemeinde, die Aktion ohne größeres Murren akzeptiert. Sicher, der eine oder andere, so Tetzner, habe seine Hausnummer aus Gewohnheit gerne behalten wollen und andere hätten aus Aberglauben die Nummer 13 auf keinen Fall haben wollen. Die Zahl derjenigen, die gegen die Aktion protestierten, sei aber glücklicherweise gering gewesen, auch weil die Aktion bereits seit mehreren Jahren zur Diskussion stand und im Interesse der Allgemeinheit sei. "Das hat dann eine Menge Aufregung verhindert."

Ärgerlich ist die neue Nummernvergabe vor allem für eine Gruppe: die Drochtersener Geschäftsleute. Diejenigen, die eine neue Adresse erhalten haben, müssen jetzt etwa ihre Geschäftsbriefe und Visitenkarten korrigieren und neu drucken lassen - und das alles stets auf eigene Kosten.

Ob es das letzte große Nummern-Roulette in Drochtersen gewesen ist, ist derzeit noch offen. "Wer weiß schon, was passiert, wenn hier die Autobahn kommt", orakelt Tetzner und lacht, "vielleicht ist Drochtersen dann so groß geworden, dass wir wieder ganz von vorne anfangen müssen".