Firmen lassen Ausbildungsplätze unbesetzt, weil Schulabsolventen nicht gut genug ausgebildet sind. Allein die Industrie- und Handelskammer Stade meldet 140 freie Lehrstellen.

Buxtehude/Stade. Die Unternehmen im Landkreis Stade schlagen Alarm: Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt, weil die Unternehmen keine geeigneten Bewerber finden. Allein die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade meldet noch rund 140 freie Lehrstellen.

Eine derart hohe Zahl nicht besetzter Ausbildungsplätze habe es bislang nicht gegeben, sagt Kirsten Kronberg, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Stade. Ein Grund dafür sei die deutlich abnehmende Zahl der Schulabgänger, da der demografische Wandel inzwischen voll zugeschlagen habe.

Aber die Betriebe klagten auch zunehmend darüber, dass die Qualifikation und Motivation der Bewerber nicht ausreiche. "Die Unternehmen gehen verstärkt dazu über, Ausbildungsstellen lieber unbesetzt zu lassen, als sich drei Jahre lang mit nicht geeigneten Azubis zu belasten."

Viele Jugendlichen beherrschten nicht einmal die Grundrechenregeln. "Da klaffen Berufswunsch und Wirklichkeit völlig auseinander", sagt Kronberg. Doch nicht nur fachlich hätten die Jugendlichen ein Defizit. Für manche seien Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit Fremdworte. Selbst zu normalen Umgangsformen seien einige Auszubildende nicht in der Lage. Kronberg: "Guten Morgen, danke, bitte - das kennen viele einfach nicht."

Das Elbe-Klinikum Stade und Buxtehude traut manchen Jugendlichen sogar nicht einmal zu, sich um ihre Patienten zu kümmern. Schon allein, weil sie nicht mehr in der Lage sind, sich richtig auszudrücken. "Die Azubis müssen sich wenigstens mit den Patienten unterhalten können, sonst können die kranken Menschen ihnen kein Vertrauen entgegenbringen", sagt Gisela Gise-Wegert, stellvertretende leitende Lehrkraft an der Gesundheits- und Kranken/Kinderkrankenpflegeschule der Elbe-Kliniken in Stade.

Im Schriftdeutsch hapert es erst recht. Weil die Lehrlinge - meistens Realschulabsolventen - die Rechtschreibung nicht beherrschen, verkommt die Patientendokumentation zum Kauderwelsch. "Die Rechtschreibung ist grausig. Interpunktion existiert nahezu gar nicht", sagt Gise-Wegert.

Die Schule der Elbe-Kliniken unternimmt einige Klimmzüge, um den jungen Menschen die Kenntnisse noch beizubringen, muss dann aber feststellen, dass es dafür viel zu spät ist. "Die Leute sind ja schon erwachsen, wenn sie zu uns kommen."

Auch Reinhold Buntrock, Inhaber der gleichnamigen Heizungs-, Sanitär- und Elektro GmbH in Apensen, kann ein wahres Klagelied über das mangelnde Niveau der Schulabsolventen singen. "Manche Bewerber haben ein so schlechtes Niveau, dass wir kaum verantworten können, sie einzustellen", sagt Reinhold Buntrock.

"Man sieht, die jungen Leute haben sich in der Schule gehenlassen und das zieht sich dann wie ein roter Faden weiter durch die Ausbildung." Drei Ausbildungsplätze habe Buntrock deshalb nicht besetzen können. Die Anforderungen seien gestiegen, das Niveau der Bewerber aber nicht.

Denn die Jugendlichen müssten heute im Prinzip zwei Berufsbilder in einer Ausbildung lernen - den des Gaswasserinstallateurs und des Heizungsbauers. Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik heißt die korrekte Berufsbezeichnung nach der Zusammenlegung beider Berufe jetzt. "Die Jugendlichen müssen sich jetzt mit alternativen Energiequellen, mit Erd- und Solarwärme und Fotovoltaikanlagen auskennen", sagt Buntrock.

Deshalb sei ein Scheitern der Haupt- und Realschüler mit schlechten Notenschnitten schon programmiert. "Bewerbungen solcher Leute bekommen wir aber oft auf den Tisch." Buntrocks trauriges Fazit: "Wer heute nicht intelligent geboren wird, hat keine Chance in unserer Gesellschaft."

Flugzeugbauer Airbus Deutschland in Hamburg hat da hingegen eine viel größere Auswahl an Bewerbern. Zwar musste auch Christian Eggenstein, Leiter der Berufsausbildung im Werk Stade, feststellen, dass die Bewerber bei naturwissenschaftlichen Fragen in den Einstellungstest immer weniger mit Wissen glänzen können. "Aber einen guten Schulabsolventen fehlt es dann an nichts, um erfolgreich die Elektronikerausbildung abzuschließen."

Die Firma Mercedes-Benz aus Hamburg musste hingegen feststellen, dass selbst während der Ausbildung noch Probleme auftauchen. "Die Lehrlinge können den theoretischen Stoff in der Schule nicht umsetzen", sagt Bernd Löhn vom Ausbildungsmarketing bei Mercedes-Benz.

Löhn will Schüler, Eltern und Lehrer nun stärker einbinden, um aus der Qualitätsmisere zu kommen. "Wir müssen zusammenrücken und die Jugendlichen eher darauf vorbereiten, was im Beruf auf sie zukommt. Schließlich ist die Jugend unsere Zukunft."