Tausende verliebte Paare haben an der Professoren-Brücke in Lübeck Schlösser angebracht. Der Architekt befürchtet Sicherheitsmängel.

Lübeck. Das Holstentor, die sieben Kirchtürme, das Marzipan, die Häuser der Nobelpreisträger Thomas Mann, Willy Brandt und Günter Grass - Lübeck hat viele Attraktionen. Eine der neueren ist die Brücke an der Obertrave, die in Höhe Große Petersgrube den Fluss zur Wallstraße überspannt. Mehrere Tausend Liebesschlösser zieren das Bauwerk. Doch die Stadt Lübeck will die Liebesschwüre aus Metall jetzt verbannen - aus Sicherheitsgründen.

Denn Architekt Klaus Petersen fürchtet um die Statik seines Bauwerkes und hat sich an die Bauverwaltung der Hansestadt gewandt. Die Schlösser hängen an eigens angebrachten Edelstahlketten, dafür wurde eigentlich beim Bau vorgesehenes Edelstahlgewebe entfernt. "Durch diese Änderung ist die DIN-Norm für Brückengeländer nicht mehr erfüllt", sagt Petersen, der seit Langem in Lübeck tätig ist. "Die Ketten lassen sich auseinanderbiegen. Ein Kind könnte hindurchkrabbeln und ins Wasser stürzen." Petersens Bauwerk stammt von 2007, ist rund 50 Meter lang und kostete eine Million Euro. Als Professoren-Brücke hat sie sich einen Namen gemacht, weil Lehrende und Studierende der Musikhochschule an der Obertrave und in der Großen Petersgrube diesen Weg über die Trave in Richtung Holstentorhalle nehmen.

Vor zwei Jahren tauchten die ersten Liebesschlösser auf. Wie andere Paare in Köln, Lüneburg oder Hamburg kauften sich in Lübeck "Jana und Marcus", "Ina und Karl-Heinz" oder "Michelle und Marcel" jeweils ein Schloss, schrieben ihre Namen und ein Datum darauf, hängten es ans Brückengeländer und warfen den Schlüssel in den Fluss.

Seitdem fragt Klaus Petersen sich, wie eine emotionale Bewegung zusammenpasst mit Baukultur und Gestaltung. "Ich habe die Brücke auch mit viel Liebe entworfen", sagt der Architekt.

Aber wie an mancher Beziehung nagt der Zahn der Zeit auch an den Schlössern. Sie rosten und beschädigen die Edelstahlgitter am Brückengeländer. Das eine Metall verträgt sich nicht mit dem anderen. Die Bauverwaltung der Hansestadt entfernte die Schlösser und wurde deshalb von einer eigens gegründeten Facebook-Gruppe als "herzlos" bezeichnet.

2011 wurden deshalb einige Gitter durch Ketten ersetzt. Mittlerweile gibt es sieben Felder im Brückengeländer mit jeweils fünf Ketten. An jeder hängen mindestens 100 Schlösser - farbig lackiert und mit Strasssteinen besetzt, in Herzform und liebevoll verziert, aber auch messingfarben wie die Sicherung der Tür eines Gartenschuppens.

Ist das schön? Über Geschmack lässt sich streiten. Die Dozenten und Studenten der Musikhochschule gehen achtlos an den Schlössern vorbei. Eine Reisegruppe aus Bayern dagegen schaut interessiert hin, und eine Frau sagt: "Das habe ich auch schon in Paris gesehen." Volker Lehmann findet den Brückenschmuck "originell". Der 43-Jährige ist mit einer sechsten Klasse aus Luckau im Spreewald in Lübeck.

Die Kinder machen eifrig Fotos und amüsieren sich über die Namen auf den Vorhängeschlössern. Wiebke Stachowitz gefällt die Brücke dagegen gar nicht. "Wenn die Schlösser rosten, werden sie doch unansehnlich. Das wirkt schmuddelig", sagt die 68-Jährige aus Ratzeburg. Und sie hat noch einen Gedanken: "Wenn die Schlüssel in die Trave geworfen werden und dann im Wasser verrotten, ist das bestimmt nicht gut für die Fische."

Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ist dagegen nun um Ausgleich bedacht. "Die Stadt hat diese Schlösser geduldet, weil es offenkundig ein tief sitzendes Bedürfnis von Einheimischen und Touristen gibt, ihre Gefühle in dieser Weise zu manifestieren", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Nun nehme es "ein bisschen Überhand", und der Architekt weise auf sein Urheberrecht und den Schutz des geistigen Eigentums hin.

"An der Brücke werden weitere Felder nun nicht mehr eingerichtet", so Bürgermeister Sachse. "Sollte es weiterhin Bedarf nach einem Ort geben, an dem man mittels eines Schlosses seinen Gefühlshaushalt dokumentieren kann, werden wir in Lübeck nach Ersatzlösungen suchen."

Yvonne Sterly dagegen hofft, dass die Lübecker Liebesbrücke noch möglichst lange behängt wird. "Fix gravierte Liebesschlösser für Spontanromantiker" bietet die Goldschmiedin nämlich an. Ihr Geschäft liegt praktischerweise direkt an der Professoren-Brücke. Liebe ist in der Hansestadt eben nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein kleines Geschäft.