Zehntausend Menschen starten mit dem traditionellen Abfischen in Bokel, das schon Volksfestcharakter hat, in die Karpfensaison.

Bokel. Das Wasser brodelt vor Fisch. Nur noch ein schmales Rinnsal ist vom Bokeler See geblieben. Hunderte Karpfen, Schleie, Aale, auch einige Hechte und Forellen schwimmen gegen die Strömung direkt auf Günter Puhlmann zu. Mit Brettern reguliert der 36 Jahre alte Mann den Strom an der Schleuse namens Mönch. Auf der anderen Seite warten die Männer geduldig mit Netzen. Endlich ist es soweit. Das große Abfischen beginnt. Ein Tier nach dem anderen passiert den Mönch. Mit Keschern werden sie auf den Fischtresen gehievt, wo sie nach Größe und Art in verschiedene Bottiche sortiert werden. Die Kleinen werden später wieder ausgesetzt, damit sie wachsen können, die Großen gehen in den Verkauf.

So spritzig wie am Fischtresen sind auch die Sprüche beim Verkauf

Nicht mal dicke Modderspritzer hielten die Schaulustigen fern. Dicht drängten sich am Sonnabend rund 10.000 Besucher des traditionellen Abfischens in Bokel, das schon Volksfestcharakter hat. Für entsprechendes Rahmenprogramm war gesorgt: Kinderkarussell, Stände mit Obst, Gemüse, Selbstgemachtem, Süßem und Deftigem waren aufgebaut.

Mindestens genau so spritzig wie am wie Fischtresen sind die Sprüche beim Verkauf. "Urgestein" Hans Hartmann, der wie viele der anderen Helfer seit Jahrzehnten beim Abfischen am Bokeler See dabei ist, hatte wieder seine Breitband-Pudelmütze auf, die von den Stammkunden liebevoll "Bokeler Rundschnitt" genannte wird. Nicht alle der fast 20 Helfer kamen aus Bokel. Viele nehmen einen längeren Weg, zum Beispiel aus Lübeck und Berlin auf sich, um beim Abfischen, Sortieren und im Verkauf zu helfen. Wie sein Kollege lässt es sich auch Jens Melchert nicht nehmen, dabei zu sein. Seit 29 Jahren ist der Altenpfleger hier "irgendwie hängen geblieben." Er holt einen Schlei aus dem Fass, damit die Kinder, die mit ihren Eltern in der Schlange stehen, einen Blick auf ihn werfen konnten.

Wer nicht draußen Erbenssuppe löffelte oder Crepe aß, der ließ sich im "Ringhotel Bokel-Mühle am See" das aktuelle Karpfengericht schmecken. Bei schönstem Herbstwetter bot sich auch ein Spaziergang um den See an.

Viele Kinder waren mit kleinen Keschern ausgerüstet und fischten überaus eifrig nach Moderlieschen - nur wenige Zentimeter lange Fischchen, die zu den Karpfenähnlichen gehören. Auch Ludwig Rehder, 84, und Laura, 9, aus Wedel hatten sichtlich Spaß. Der Rentner und seine kleine Nachbarin hatten sich zwei Moderlieschen im Glas mit nach Hause genommen, um die schuppigen Winzlinge bei sich in den Gartenteich auszusetzen.

Veranstaltet wird das Spektakel alljährlich von Teichwirt Rainer Erich, der auch die "Bokeler Mühle" betreibt. Zirka 50 Zentner Fisch holen die Männer jedes Jahr aus dem 20 Hektar großen See. Von der Mühlenau durchzogen ist der Bokeler See ein Paradies für Mensch und Tier. Dank des Bachs schmecken die Bokeler Karpfen besonders gut: Da sie kräftig gegen die Strömung paddeln, setzen sie laut Rainer Erich weniger Fett an. Der trockengelegte See wird noch einmal abgegangen und der Fisch, der entwischen konnte, mit Gattern nachgeschoben wird. Der matschige Seeboden ist grün. "Algen", sagt Erich. Nächste Woche wird ein Hubschrauber deshalb Brandkalk verteilen. Dann wird der Mühlenbach wieder zurück ins Bett geleitet und der Bokeler See läuft allmählich wieder voll.

Nicht alle Karpfen wurden an diesem Wochenende verkauft. Wer das Event verpasst hat, bekommt noch bis Februar in der Bokel-Mühle den begehrten Speisefisch - sowohl im Restaurant in allen Variationen serviert, als auch zur hauseigenen Zubereitung im Verkauf. Der Karpfenpreis ist seit 2003 stabil: 4,50 Euro das Pfund.