Quickborn einigt sich mit Netzbetreiber und zieht Klage zurück. 380-KV-Leitungen weiter entfernt von Häusern errichtet

Quickborn. Eigentlich hätte über dieses Projekt gestern das Bundesverwaltungsgericht entscheiden sollen. Doch Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl konnte sich die Fahrt nach Leipzig sparen. Quasi in letzter Minute einigte sich die Stadt Quickborn mit dem Netzbetreiber Tennet über einen geänderten Verlauf der neuen 380.000-Volt-Höchstspannungstrasse, die nun im Süden Quickborns bis zu 110 Meter weiter entfernt von der Wohnbebauung errichtet wird. Fast drei Jahre lang verhandelte die Stadt mit dem Netzbetreiber und 16 Grundstückseigentümern, um diesen Kompromiss möglich zu machen. Die Stadt habe die Klage zurückgezogen, sagt Köppl. „Das war ein anstrengender Prozess. Viele sind über ihren Schatten gesprungen. Wer jetzt noch dagegen klagt, hat einen Schaden, denn er verhindert diese ausgehandelte Verschwenkung der Trasse.“

Günther Hansen, an dessen Haus am Peperkamp die alte 220-KV-Leitung nur 31,60 Meter entfernt verläuft, kann aufatmen. Statt dass die neuen zwölf Meter höheren Strommasten, wie ursprünglich geplant, weiterhin direkt an seinem Garten stehen werden, wird die oberirdische Leitung nun 144 Meter entfernt sein, wenn sie nächstes Jahr ans Netz geht. „Damit bin ich zufrieden“, sagt er. Sein Nachbar Werner Schneider, mit dem er vor sechs Jahren die Initiative „Quickborn unter Höchstspannung“ gründete, um das Vorhaben zu verhindern, sagt: „Dieser Kompromiss ist kein Grund zum Jubeln, aber er ist immer noch entscheidend besser als die Trasse ohne Verschiebung.“ Sie und die 1000 anderen betroffenen Anwohner, die hier leben, hätten sich am liebsten eine Stromtrasse gewünscht, die unterirdisch verlegt würde. Doch das war gesetzlich nicht vorgeschrieben und wurde vom Netzbetreiber aus Kostengründen abgelehnt.

Der Quickborner Widerstand war das letzte Mosaiksteinchen, das noch fehlte, um die Stromtrasse zwischen Dollern bei Stade und Norderstedt so zu ertüchtigen, dass künftig der Windstrom besser aus dem Norden, wohin die Trasse bis 2018 bis nach Dänemark gebaut wird, in den Süden abtransportiert werden kann. Auf diesem 30 Kilometer langen und bereits genehmigten Teilstück werden die alten 105 Strommasten abgebaut und durch 89 neue, bis zu 62 Meter hohe Masten ersetzt. Lediglich in Moorrege, Kummerfeld und nun auch in Quickborn verlaufen die Leitungen etwas anders als zuvor. Während sich in den beiden Dörfern schon vor Jahren die Betroffenen auf Umwege zugunsten der Anlieger verständigen konnten, blieben in Quickborn die Fronten lange verhärtet. Zum Schluss hing es an wenigen Grundstücksbesitzern, die nun akzeptieren mussten, dass ihre Flächen mit diesen Stromleitungen überspannt werden, um die Anwohner vom Peperkamp und das Schulzentrum Süd einer geringeren elektromagnetischen Strahlung auszusetzen.

Im Bereich der Schule, wo die neue Leitung nicht mehr über den Sportplatz verlaufen wird, würde durch die Verschiebung der Trasse um 20 Meter auf 140 Meter erreicht, dass die Strahlenwerte dort auf 0,35 Mikrotesla sinken, so Köppl. Da Studien ein signifikant erhöhtes Leukämie-Risiko bei Kindern ab einer Strahlung von 0,4 Mikrotesla feststellten, war die Unterschreitung dieses Wertes ein entscheidender Punkt in den Gesprächen zwischen der Stadt und dem Netzbetreiber Tennet.

Die jetzt gefundene Lösung, die in Quickborn die oberirdische Leitung auf einer Länge von 1,7 Kilometern bis zu 110 Metern weiter südlich errichten lässt, werde Tennet einige Hunderttausend Euro zusätzlich kosten, sagt Projektleiter Jens Siegmann. An der dichtesten Stelle Peperkamp/Ecke Ulzburger Landstraße beträgt der Abstand zum nächsten Haus 80 Meter. Dafür müsse ein zusätzlicher Strommast errichtet werden. Bei einer Gesamtinvestition zwischen Stade und Norderstedt, die bei 35 Millionen Euro liegt, sei das zu verschmerzen. Die Grundstückseigentümer seien aber keineswegs extra abgefunden worden, betonte Siegmann. Wie alle anderen auch bekämen sie eine einmalige Zahlung in Höhe von 5000 Euro für jeden Mast, der auf ihrem Grundstück gebaut wird sowie eine Entschädigung für die überspannte Fläche, die „im Cent-Bereich“ liege.

„Wir als Stadt wären nicht in der Lage gewesen, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen“, sagte Quickborns Erster Stadtrat Klaus H. Hensel. „Darum sind wir froh und dankbar, dass wir die Eigentümer überzeugen konnten, dass dies die richtige Lösung ist für Quickborn.“ Nach dem rechtsgültigen Planfeststellungsbeschluss vom April 2013 tagte ein Runder Tisch mit Vertretern der Verwaltung, Politik, Betroffenen und Tennet etwa ein Dutzend Mal und erarbeitete nun diesen Kompromiss.