Zwei Störungen in den vergangenen vier Tagen versetzen Wedeler in Angst. Wärmeausfall im Westen Hamburgs. Initiative fordert Aufklärung.

Wedel. Mit einem gemütlichen Sonntagmorgenfrühstück wollte Kerstin Lueckow in den Tag starten. Doch mit ihrer Ruhe war es gegen 9.50 Uhr schlagartig vorbei. Eine Störung im Wedeler Kraftwerk am Tinsdaler Weg versetzte Lueckow und andere Anwohner in Angst und Schrecken. Riesige Dampfwolken stiegen über der Anlage am Elbufer auf. Zudem erzeugte der Druckablass des Wasserdampfes von den Heizkesseln einen unheimlichen Krach. "Es war furchtbar laut, wie ein Kessel, der pfeift. Das ist beängstigend", sagt Lueckow, die in unmittelbarer Nähe der von Vattenfall betriebenen Anlage wohnt. "Der Fluchtinstinkt setzt ein. Es handelt sich eben um ein Kraftwerk." Auf Grund der Dampfwolken riefen Anwohner besorgt die Feuerwehr an. 18 Kameraden der Freiwilligen Wehr rasten um 10.25 Uhr zum Tinsdaler Weg, um unverrichteter Dinge wieder abzurücken. Wie Lueckow berichtet verließen betroffene Anwohner panikartig ihre Häuser.

Vattenfall-Pressesprecher Stefan Kleimeier versucht die Gemüter zu beruhigen: "Dadurch, dass Wasserdampf abgelassen wurde, sieht es bei den kalten Temperaturen spektakulär aus und der Druckablass erzeugt natürlich auch Lärm. Es bestand aber nie eine Gefahr für die Anwohner." Was die Wedeler nicht wussten: Es handelte sich um einen kontrollierten Druckablass über Sicherheitsventile an den Heizkesseln. Grund war ein Totalausfall der beiden Heizblöcke. Seit Freitag kämpften Vattenfallmitarbeiter mit einem Rohrschaden im Block 2. Noch während an der Beseitigung des Problems gearbeitet wurde, tauchte der nächste Reparaturfall auf. Im Block 1 war eine Steueranlage defekt. Er musste am Sonntag für Anwohner deutlich sichtbar abgeschaltet werden.

Ein Heizblock reicht, um die Fernwärmeversorgung der angeschlossenen Haushalte sicherzustellen. In diesem Fall gab es eine Versorgungslücke der Fernwärmekunden. 25.000 Hamburger Haushalte in den Stadtteilen Bahrenfeld, Altona und Eimsbüttel erwischte es am Abend eiskalt. Heizungen und Duschwasser blieben lauwarm. Vattenfall versorgte betroffene Hamburger Krankenhäuser mit mobilen Heizgeräten. In der Nacht zu Montag konnten die Fehler behoben, die Heizblöcke wieder angefahren werden. "Um 17.30 Uhr lief Block 2, um 23.30 Uhr lieferte auch Block 1 wieder Fernwärme", so Sprecher Kleimeier.

Störungen wie diese sind im Wedeler Kraftwerk derzeit keine Seltenheit. Der Wärmeausfall ist Höhepunkt einer Reihe von aufgetretenen Problemen. So mussten im September laustark zwei Turbinen auf Grund eines Stromausfalles abgeschaltet werden. Am vergangenen Mittwoch gab es ebenfalls einen Vorfall. "Aufgrund einer Fehlermeldung wurde die Anlage in den sicheren Zustand gefahren, sprich der Druck aus den Kesseln abgelassen", so Kleimeier.

"Das ist doch nicht normal. Solche Zwischenfälle gab es sonst nicht", sagt Lueckow. Die 45-Jährige, die seit 13 Jahren in Wedel lebt, fordert Aufklärung und auch in Zukunft eine schnelle Information der Anwohner. Sie hat sich deshalb auch schriftlich an das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume gewandt, in der Hoffnung so einen generell besseren Informationsfluss zu erwirken. Im Gegensatz zu Atomkraftwerken sei Vattenfall im Wedeler Fall nicht verpflichtet, das Ministerium über Störungen zu informieren, so Kleimeier. Ein Kontrollgremium gebe es bei diesen Kraftwerken nicht. Somit liegt es im Ermessen von Vattenfall, ob sie die Anwohner informieren, und das lehnt man ab.

Warum häufen sich derzeit im Wedeler Kraftwerk die Probleme? Der Vattenfallsprecher verweist auf das Alter der Anlage. Das Steinkohlekraftwerk stammt aus dem Jahr 1965. "Solch ein Kraftwerk ist für 40 Jahren ausgelegt. Zwar kann die Lebensdauer hinausgezögert werden, aber das ist nur für eine gewisse Zeit möglich", so Kleimeier. Vattenfall habe einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die Sanierung investiert, aber: "Das Kraftwerk wird älter und damit anfälliger für Fehler."

Ursprünglich plante Vattenfall, das Wedeler Steinkohlekraftwerk in diesem Jahr vom Netz zu nehmen. Die Fernwärmeversorgung sollte das neue Kohlekraftwerk in Moorburg übernehmen. Eine Bürgerinitiative verhinderte den Bau der Fernwärmeleitung. Im Oktober 2011 erwirkte Vattenfall deshalb eine Laufzeitverlängerung für das Wedeler Kraftwerk bis 2017. Bis dahin soll an gleicher Stelle ein neues Gaskraftwerk entstehen. Das Genehmigungsverfahren läuft. Eine Bürgerinitiative, zu der auch Kerstin Lueckow zählt, wehrt sich gegen den geplanten aus ihrer Sicht überdimensionierten Bau.