Liebe auf vier Rädern: Walter Kreysch aus Elmshorn musste für seinen 74 Jahre alten Renault Novaquatre in Verdun auf Ersatzteiljagd gehen.

Elmshorn. Als der französische Fahrzeughersteller Renault 1937 sein neues Modell Novaquatre auf dem Pariser Autosalon präsentierte, war diese Variante kaum vom Typ Primaquatre zu unterscheiden. Dass es sich beim Novaquatre um eine Sparversion handelte, ergab sich erst aus den technischen Daten. Der abgespeckte Renault leistete vier Pferdestärken weniger als der kräftigere Bruder. So brachte der 2,4-Liter-Motor nur noch 48 PS an die hintere Antriebsachse. Zweck der Übung war es (schon damals!), den Spritverbrauch zu senken. Statt zwölf bis 13 Liter benötigte der Novaquatre lediglich neun bis zehn Liter Benzin auf 100 Kilometer.

Ob dieser Wert auch jetzt noch erreicht wird, hat Walter Kreysch nie kontrolliert. Der Elmshorner ist seit 15 Jahren Eigentümer eines Novaquatre. Unterwegs verlässt er sich auf die Anzeige der Benzinuhr und ist noch nie wegen Spritmangels liegen geblieben. Sein Renault wurde 1938 erstmalig zugelassen. Das hohe Alter von 74 Jahren ist dem flotten Franzosen allerdings nicht anzumerken. Wenn Kreysch den Anlasser betätigt, braucht es nur ein paar Umdrehungen, bis der Vierzylindermotor anspringt. Der wummert dann zuverlässig, wie es sich gehört, im Viertakt, als hätte er eben erst die Fabrikationshalle verlassen.

Mag der Motorklang Oldtimer-Fans schon Musik in den Ohren sein, der Anblick des samtschwarz glänzenden Viertürers wird dann erst recht zur Augenweide aus Lack und Chrom. Die elegant geschwungenen vorderen Kotflügel bilden mit den silbrig glänzenden freistehenden Scheinwerfern und den ebenfalls verchromten Lüftungsschlitzen der seitlich zu öffnenden Motorhaube eine harmonische Einheit. Ergänzt wird dieses automobile Gesamtkunstwerk vom ebenfalls silberfarbenen Kühlergrill, dessen Rippen, senkrecht wie Orgelpfeifen stehend, dem Novaquatre erst zum würdevollen "Gesichtsausdruck" verhelfen.

Walter Kreysch, der als Autohändler auch beruflich mit Renault zu tun hat, schwärmt aber auch von der soliden Innenausstattung. So ist der Bezugsstoff der Sitzbänke noch nie erneuert worden. Auch die Echtholzrahmen der Fenster sind noch, frisch aufpoliert, im Originalzustand. Beim Armaturenbrett wurde allerdings schon damals ein bisschen geschummelt. "Die Holzmaserung ist lediglich aufs Blech aufgetragen worden", sagt Kreysch. Doch diese vom Hersteller gewollte Imitation ist deshalb nicht minder originalgetreu.

Weil innen und außen alles stimmt, bekam der Renault sogar eine Plakette der FIVA. Die Abkürzung bezeichnet den internationalen Dachverband für Oldtimer-Fahrzeuge. "Die Auszeichnung gibt es nur, wenn die wesentlichen Bestandteile des Fahrzeugs im Originalzustand sind", erläutert Kreysch. Sogar der Lack ist noch aus erster Hand, abgesehen von ein paar Ausbesserungen.

Gekauft hat der Elmshorner seinen Novaquatre von einem Oldtimersammler aus dem Ruhrgebiet. Weil das Auto damals nicht fahrbereit war, musste Kreysch seinen Fang zwecks weiterer Aufbereitung als Transportgut nach Elmshorn bringen. In der neuen Heimat wurde der Renault mit viel Einsatz zu einem wahren Schmuckstück aufpoliert.

Angaben über die Zahl der Vorbesitzer hat der Renault-Experte nicht. Doch den damaligen Kaufpreis konnte er ermitteln und damit eine weitere Kuriosität zutage fördern. Den Novaquatre Luxe gab es in zwei Versionen: ohne Kofferraum für 23 000 Franc, mit Kofferraum für 24 500 Franc. Kreysch ist froh, dass er die Version mit Gepäckabteil ergattern konnte. So bleibt noch Platz für Reiseutensilien.

Mit seiner Rarität geht Kreysch meistens zu besonderen Anlässen auf Tour. Dazu gehören Fahrten zum Oldtimertreffen nach Bockhorn oder auch familiäre Ereignissen. Bei einem solchen Fest wäre fast alles schief gegangen. Walter Kreysch wollte zur Hochzeit seiner Tochter das junge Glück mit dem Oldie zur Trauung fahren. Doch wenige Tage vor dem Termin erlitt der Motor einen Totalschaden. Der Riss im Gehäuse war nicht zu reparieren.

Kreysch setzte alle Hebel in Bewegung, um Ersatz aufzutreiben. Schließlich stieß er auf einen Oldtimerspezialisten in Frankreich. "Der wollte keine technischen Details wissen, sondern nur Angaben über Länge, Breite und Höhe des Motors haben", erinnert sich Kreysch. Trotz dieser merkwürdigen Art der Typbestimmung kam bald die erlösende Nachricht: "Passt!"

Erleichtert machte sich der Brautvater auf den Weg nach Verdun, um dort einen total verdreckten Motor in seinen Van zu laden. Der Blick des Fachmanns auf das Aggregat hatte zuvor ergeben, dass es sich tatsächlich um einen Originalmotor für den Novaquatre handelte. Auf dem Heimweg über Luxemburg geriet Kreysch dann auch noch in eine Zollkontrolle. Ein deutscher Zöllner glaubte wohl, einem Schmuggler auf der Spur zu sein und fragte nach der Fracht an Bord. "Das ist nur Schrott", versicherte der Autofachmann treuherzig. Nach einem Blick auf den Motor gab der Zollbeamte klein bei und signalisierte freie Fahrt. Zurück in Elmshorn schaffte es Kreysch noch eben rechtzeitig, das Ersatztriebwerk auf Vordermann zu bringen und in seinen Novaquatre einzubauen. Damit stand der Fahrt ins Eheglück per Oldtimer und einem Happy End nichts mehr im Wege.

Renault Novaquatre

Besitzer: Walter Kreysch, Elmshorn Baujahr: 1938 Hubraum: 2,4 Liter Leistung: 48 PS Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h