Liebe auf vier Rädern: Wie Frank Rosenbaum und Christina Noack die Volvo-Staatskarosse von Erich Mielke in Wedel wieder aufmöbelten.

Wedel. Auf den ersten Blick von vorn ist für Passanten oder den Gegenverkehr noch alles klar: Ein großer Volvo rollt da behäbig über den Tinsdaler Weg in Wedel. Alter Schwede, der ist trotz seiner rund 30 Jahre noch gut in Schuss. Stimmt. Doch bei näherem Hinsehen fällt dann auf, dass da doch etwas nicht stimmt.

Der rabenschwarz lackierte Volvo ist nämlich ein ganzes Stück länger als es die normalerweise schon recht ausladenden Limousinen des Typs 264 waren. Was bei Ami-Schlitten als Stretchcar bezeichnet wird, hat der schöne Schwede auch vorzuweisen. Die Karosserie wurde um 70 Zentimeter verlängert. So verwandelte sich der solide Volvo 264 in einen gestreckten Volvo 264 TE mit einem beachtlichen Maß von 5,60 Metern!

Die Typenbezeichnung TE sagt schon, wo es lang geht: nämlich in Richtung Staatskarosse. TE steht für Top Executive. Mit dieser Abkürzung schmückte Volvo seine etwa 350 Spezialanfertigungen, die vom Turiner Karosserieschneider Bertone verlängert und veredelt wurden. Später lieferte auch ein schwedischer Karosseriebauer einige Exemplare aus. Abnehmer der Repräsentationsfahrzeuge war neben dem schwedischen Staat auch die DDR. SED-Generalsekretär Erich Honecker höchstselbst orderte mal eben 100 Stück der Luxuslimousinen für den Fuhrpark der Staats- und Parteiführung.

Doch es wird noch kurioser: Bei dem Auto, das da durch die Rolandstadt fährt, handelt es sich um den früheren Dienstwagen von Stasi-Chef Erich Mielke. Der leitete in der untergegangenen DDR das gefürchtete Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Hinter dem Lenkrad sitzt Frank Rosenbaum.

Der ist nicht nur Toyota-Händler in Wedel, sondern auch leidenschaftlicher Sammler von Oldtimern, Youngtimern und diversen anderen automobilen Raritäten. Mielkes rollendes Hauptquartier, Baujahr 1980, gehört jetzt Rosenbaum und dessen Lebensgefährtin Christina Noack. "Es ist nicht nur ein Auto dieses Typs, sondern das Originalfahrzeug, mit dem der Stasi-Chef unterwegs war", versichert Rosenbaum. Der Autohändler ist mit seiner Partnerin dabei, 60 Kilometer nordwestlich von Berlin das Privat Museum Fehrbellin einzurichten. Christina Noack stammt aus Fehrbellin. In ihrer Heimatstadt soll Rosenbaums Sammlung ausgestellt werden.

Dritter im Team ist ein guter Bekannter Rosenbaums aus der ehemaligen DDR. Der kaufte die Überbleibsel des Fuhrparks "im Paket" auf, als nach der Wende der ehemalige DDR-Staatsbesitz über die Treuhand veräußert wurde. "Die Fahrzeuge waren bis auf zwei Ausnahmen alle blau lackiert", sagt Frank Rosenbaum. Den schwarzen Extra-Lack habe es lediglich für die Dienstwagen von Erich Honecker und von Erich Mielke gegeben.

+++ Liebe auf vier Rädern: Ein Traum aus Kindheitstagen +++

In Wedel wurde der Luxusschlitten des Staatssicherheitschefs wieder auf Vordermann gebracht. Vor allem der mit blauem Edel-Velours komplett ausgeschlagene Innenraum musste nach jahrelanger Standzeit gepflegt werden. Sogar die ausgeleierten und zerschlissenen Nähte der Vorhänge an den hinteren Seitenfenstern hat Christina Noack erneuert. Mit dem verschiebbaren Sichtschutz konnte sich Mielke den neugierigen Blicken seiner DDR-Untertanen entziehen, wenn er mit der Staatskarosse unterwegs war.

Der Stasi-Chef, dessen Ministerium über Hunderttausende offizielle und inoffizielle Schnüffler verfügte, war bei aller Liebe zum Sozialismus im sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat wie auch Honecker dem Luxus westlicher Prägung nicht abgeneigt. Geordert wurde allerdings nicht beim Klassenfeind, sondern im politisch neutralen Schweden.

Der Stretch-Volvo verfügt über hochglänzende Edelholz-Verkleidungen in den Türen. Auf der etwas plüschig wirkenden Rückbank war Platz genug, um in der Mittelarmlehne noch ein Funk-Telefon unterzubringen. So hatte Mielke stets einen heißen Draht in seine Behörde und den übrigen Staatsapparat an Bord. Außerdem reichte die geräumige Passagier-Kabine aus, um zwei Zusatzsitze zu installieren, die bei Bedarf ausgeklappt werden konnten. Zu den Extras gehört neben einer Getriebe-Automatik und einer Klimaanlage auch ein speziell gesicherter Benzintank.

Mielkes Volvo hat mittlerweile fast 100 000 Kilometer auf dem Zähler. Angetrieben wird der 264 TE von einem Sechszylinder-V-Motor, der über 2,7 Liter Hubraum verfügt. Die aus heutiger Sicht bescheidene Leistung von 140 PS reicht aus, das bei voller Auslastung immerhin bis zu 2,2 Tonnen schwere Gefährt auf 165 Kilometerstunden zu beschleunigen. Der TE war im regulären Handel nicht zu erwerben, sondern wurde ausschließlich als Staatskarosse produziert.

Wenn Rosenbaum und Christina Noack mit dem polierten Edel-Volvo auf Tour gehen, ist allerdings meistens ein zum noblen Typ passendes gemächliches Tempo angesagt. Um den einstigen DDR-Look perfekt zu machen, wird sogar Flagge gezeigt. Auf dem Stander am vorderen Kotflügel kann eine extra angefertigte DDR-Fahne mit Hammer und Sichel aufgezogen werden.

Das Publikum staunt oder lacht, wenn Mielkes Volvo vorbeirollt. Kürzlich besuchte Rosenbaum mit dem Prachtstück das Wedeler Yachthafenfest. Einige Zuschauer salutierten sogar und die Polizei hatte auch nichts dagegen, dass der Volvo mit DDR-Beflaggung unterwegs war. Derzeit sind die Frank Rosenbaum und Christina Noack mit dem Dienstwagen des Stasi-Chefs in Sachsen als Teilnehmer einer Youngtimer-Rundfahrt unterwegs.

Zwei Extras dürften Mielke einst besonders gefallen haben: das bei Bedarf aufsetzbare Blaulicht sowie ein Autoradio mit Kassettenrekorder, wie es damals Stand der Technik war.

Die integrierte Tonbandmaschine hat allerdings sogar eine Aufnahmefunktion. So konnte der Stasi-Chef, wenn Besucher ihn begleiteten, sogar deren Äußerungen heimlich mitschneiden lassen.