Pädagogen fordern, die Lehrpläne vom Ballast zu befreien. Schulkonferenzen müssen entscheiden.

Kreis Pinneberg. Emily (14) und Maja (11) besuchen dasselbe Gymnasium und werden teils von denselben Lehrern unterrichtet. Der Alltag der Schwestern unterscheidet sich aber gewaltig. Die Ältere hat viel Zeit für Hobbys und Freunde, die Jüngere kommt an mindestens zwei Tagen in der Woche erst spät nach Hause, muss eindeutig mehr tun für die Schule. Emily macht nach dem alten Schulgesetz nach neun Jahren Abitur (G 9). Maja gehört zum ersten Jahrgang, der auf den Gymnasien im Lande in acht Jahren zur Hochschulreife geführt wird (G 8).

Was ist besser, G 8 oder G 9? Nachdem der neue Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) das vor eineinhalb Jahren in Schleswig-Holstein eingeführte Turbo-Abi in Frage gestellt hat, sind vor allem Eltern verunsichert. Zu viele Schüler seien den Belastungen durch G 8 nicht gewachsen, hatte Klug im Interview mit der Pinneberg Zeitung gesagt. Gymnasien sollen daher laut Klug selbst entscheiden, ob sie das Turbo-Abi behalten, das alte Abitur nach neun Jahren wiederhaben oder beide Gänge parallel anbieten wollen.

Wie geht es jetzt weiter? Ortrud Bruhn, Leiterin des Pinneberger Brahms-Gymnasiums, sieht persönlich keine Alternative zum Turbo-Abi. "Wer G 9 zurückhaben will, setzt aufs falsche Pferd", sagt die Pädagogin, empfiehlt aber dringend eine "Entschlackung des Lehrplans". Ortrud Bruhn spricht fast allen Kollegen der insgesamt elf Gymnasien im Kreis Pinneberg aus den Herzen, wenn sie sagt: "Wir wollen G 8 zum Erfolg führen".

"Es ist der beste Weg fürs Gymnasium", bestätigt Michael Lohmann. Das Abitur nach neun Jahren werde schließlich weiterhin von den Gemeinschaftsschulen angeboten. Den Leiter der Ludwig-Meyn-Schule in Uetersen wundert es, dass die neue Landesregierung Schleswig-Holstein zum "Gallischen Dorf" Europas machen will, das als einziger Flecken das alte Abi anbietet.

Uwe Lorenzen, Leiter des Elmshorner Elsa-Brändström-Gymasiums, sieht im verkürzten Abitur große Vorteile: "Wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel mit dem frühen Start der zweiten Fremdsprache und der Naturwissenschaften. Es wäre fatal, das wieder aufzugeben." G 8 habe auch was mit der gesellschaftlichen Akzeptanz zu tun: "Die Eltern sehen, dass ihre Kinder nach langen Schultagen müde nach Hause kommen. In Frankreich hat niemand ein Problem damit, wenn die Kinder mittags mal gähnen. Dort ist die Ganztagsschule Standard." Für Claus Gilliard, Leiter des Johann-Rist-Gymnasiums in Wedel, ist die Mehrbelastung ein Wahrnehmungsproblem, dass sich erledigt, wenn sich die Zeitverzahnung mit den Hobbys der Schüler erst einmal eingeschliffen hat.

Peter Rosteck von der Elmshorner Bismarckschule sagt: "Unsere Schüler kommen mit G 8 gut zu Rande. Wir haben keine Absicht, davon abzuweisen". Allerdings müssten Rahmenbedingungen stimmen: "G 8 bedeutet Ganztagsschule. Dafür brauchen wir eine Mensa, sonst läuft es nicht."

Für Michael Lohmann wäre der Parallelbetrieb von G 8 und G9 im Gymnasium die schlechteste Lösung. "Damit stürzen wir uns in ein organisatorisches Chaos."

Die Angst vorm organisatorischen Chaos kann Heike Sebald, Oberstufenleitern des Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasiums, ihren Kollegen nehmen: An der Barmstedter ehemaligen G8-Modellschule bereiten sich jetzt die ersten Turbo-Abi-Schüler neben den G9-Klassen auf die Abschlussprüfungen vor. "G 8 und G 9 zusammen, das hat bei uns sehr gut funktioniert".