Der Abriss des Industrie-Komplexes der Firma Gehrckens in der Koppelstraße wird vorbereitet.

Pinneberg. Im Neubau, der auf dem Abbruchgrundstück entsteht, wird hinter modernen Fassaden eine Seniorenanlage gebaut. Der Abriss des Industrie-Komplexes der Firma Gehrckens in der Koppelstraße wird vorbereitet. Im Neubau, der auf dem Abbruchgrundstück entsteht, wird hinter modernen Fassaden eine Seniorenanlage gebaut. Bauzäune sperren die alte Gehrckens-Fabrik mitsamt Werkstor ab. Die Fenster im Erdgeschoss sind mit Holzplatten verschlossen. Im Gebäude wird gearbeitet, das verrät der Lärm, der aus den geöffneten Fenstern in den oberen Stockwerken nach außen schallt. "Wir bereiten den Abriss vor, bauen Bodenbeläge aus und sanieren kontaminierte Bereiche", so Christian Strauch, Geschäftsführer des Hamburger Abbruchunternehmens Ehlert & Söhne. In etwa zwei Wochen soll es richtig losgehen in der Pinneberger Koppelstraße. Dann rücken die Abbruch-Spezialisten mit schwerem Gerät an, darunter ein Longfrontbagger mit Greifer und Scherentechnik, "der die Mauern Stück für Stück herunterknabbert", so Hartmut Pieper von Ehlert & Söhne.

Ende Oktober wird nichts mehr an den historischen Industriebau der Gummifabrik C. Otto Gehrckens (COG) erinnern. Wieder einmal verliert Pinneberg ein historisch wertvolles Gebäude, ein Stück Geschichte und ein Stück Gesicht. Ende April hatte die Stadt Pinneberg grünes Licht für den Abriss des von der Denkmalschutzbehörde als Kulturdenkmal eingestuften Gebäudes aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben. Anlass für die 180-Grad-Wende - ein paar Monate zuvor hatte die Politik für das komplette Quartier Koppelstraße noch die Abrissbremse gezogen - war ein Gutachten. In Auftrag gegeben und vorgelegt hatten es die Gebäude- und Grundstückseigentümer, die Cousins Metzger als COG Geschäftsführer sowie Projektentwickler Frank Lorenz. In dieser Expertise belegt das Hamburger Ingenieurbüro BBI angeblich die Unsanierbarkeit des Gebäudes wegen zu hoher Schadstoffbelastung. Jenes Gutachten ist nicht öffentlich einsehbar. Der Antrag auf Zugang wurde Birger Holm, Initiator einer Bürgerinitiative für den Erhalt des Fabrikgebäudes, zwar im April dieses Jahres von der Stadt genehmigt, kurze Zeit darauf jedoch abgelehnt, "weil der Rechtsbeistand der Firma C. Otto Gehrckens Widerspruch gegen den Bescheid" eingelegt hatte. Nicht nur wegen der Geheimniskrämerei wirkt das Gutachten suspekt. BBI-Ingenieur Franjo Böckmann verkündete während einer Info-Veranstaltung für die Bewohner der Koppelstraße Anfang Juni: "Ich kann mich kaum an einen von mir begutachteten ehemals produzierenden Gewerbebau erinnern, der sich in einem so weitgehend altlastenfreien Zustand befindet wie die Anlage in der Koppelstraße." Böckmann sagt auch: "Für viel Geld könnte das Gebäude saniert werden. Für die von uns vorgesehene Nutzung wäre der Aufwand unverhältnismäßig groß." Der Gutachter spricht von "uns"? "Ich sehe mich auf der Seite des Bauherrn", so Böckmann. "Der hat mich beauftragt und bezahlt."

Anfang dieses Jahres hatten sich die politischen Gremien durch genau dieses Gutachten über die hohe Kontaminierung des Gebäudes mit Krebs erzeugendem PCB und damit von der Notwendigkeit des Abrisses überzeugen lassen. Birger Holm hat längst resigniert: "Die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses haben sich an der Nase herum führen lassen." Auch die Experten im Fachdienst Umwelt des Kreises? "Die haben das Gutachten geprüft", so Pressesprecher Marc Trampe. "Danach waren die Bedingungen für gesunde Wohnverhältnisse oder für eine Büronutzung in den Fabrikräumen nicht gegeben." Auf das Kreis-Urteil hatte sich die Verwaltung am Ende verlassen. "Ich hätte das Gebäude wahnsinnig gerne erhalten", versichert Bürgermeisterin Kristin Alheit. "Aber wir müssen uns klar machen, dass Pinneberg nicht Hamburg-Ottensen ist, wo man super Preise für jede alte Fabrikhalle bekommt. Ich habe keine Möglichkeit, so etwas hier rechtlich umzusetzen." Kristin Alheit schaut lieber nach vorne: "Wir haben einen Investor, der uns da jetzt was Vernünftiges bauen will." Ansichtssache: Die letzten Pläne des Bauherrn von März zeigen gesichtslose 08/15-Wohnblöcke, in denen Seniorenwohnungen entstehen sollen.