Kreis Segeberg. Spaziergänger sichten im Norden seltsame schwarz-violette Insekten. Welche Tiere es sind und was sie mit der Libido zu tun haben.

Für manche sehen sie ein wenig eklig aus: schwarz-blau-violett schimmernde Lebewesen, die behäbig auf dem Boden kriechen, wurmartig wirken und echt ziemlich groß sind. Derzeit scheinen sie in großen Mengen im Kreis Segeberg und im ganzen Norden aufzutauchen. Wie der Naturschutzbund Schleswig-Holstein (NABU) mitteilt, melden sich zumindest in diesen Tagen viele Spaziergänger oder Personal von Kitas oder Schulen, um sich wegen der Insekten schlau zu machen. Manche sind besorgt, andere einfach nur interessiert.

Tatsächlich erkennen manche Naturfreunde das Wesen nur auf den zweiten Blick – es handelt sich um den Ölkäfer. Aufgrund seiner wurmartigen Form, auch im Volksmund „Maiwurm“ genannt. Diese mehrere Zentimeter großen, etwas träge wirkenden Tiere seien früh im Jahr in den ersten warmen Tagen in Gärten, an Böschungen, an Weg- und Grabenrändern oder in lichten Auwäldern unterwegs, so der NABU.

Ölkäfer: Sie produzieren das hochgiftige Cantharidin

Die dunklen Käfer würden durch ihre Größe zwar manchen Menschen etwas sonderbar anmuten, eine aktive Gefahr gehe von ihnen jedoch nicht aus. „Einfach beobachten und ruhig weiterziehen lassen, nicht auf die Hand nehmen und beim Spazierengehen etwas achtgeben, damit die interessanten Tiere nicht aus Versehen zertreten werden“, sagt NABU-Umweltberater Carsten Pusch. „Denn es dauert zwei Jahre, bis aus einem Ei ein erwachsener Ölkäfer geworden ist!“

„Ölkäfer“ heißen die Tiere, weil sie giftige Abwehrstoffe produzieren. „Bei Gefahr können sie eine gelbliche Flüssigkeit aus Poren an ihren Beingelenken austreten lassen. Diese erinnert an Öltröpfchen und gab den Käfern ihren Namen“, sagt Pusch. Der Hauptwirkstoff ist Cantharidin, dieses schützt die Käfer vor allem vor Ameisen und Laufkäfern. Andere Fressfeinde wie Igel oder Vögel sind gegen das Gift immun.

Gift für Todesurteile und Erektionen

Schon im Altertum war die Wirkung dieses Giftes gut bekannt. Einerseits nutzte man es zur Vollstreckung von Todesurteilen – ähnlich wie den Schierlingsbecher. Andererseits galt Cantharidin seit jeher als Potenzmittel, das eine langanhaltende Erektion herbeiführen soll („Spanische Fliege“). Allerdings ist auch die Potenz an unerwünschten Wirkungen besonders hoch – immerhin liegt die tödliche Dosis bei 0,5 mg pro kg Körpergewicht.

Als Reiz- und Nervengift kann es zur Blasenbildung auf Haut kommen. Deswegen wurde es auch eingesetzt, um unliebsame Tätowierungen zu behandeln. Durch die Blasenbildung auf der Haut sollte das Tattoo verschwinden oder nach der Abheilung zumindest nicht mehr so sichtbar sein.

Zu Panik oder übertriebener Angst vor den Käfern besteht allerdings kein Anlass, teilt der NABU mit. Vorsicht kann aber wie immer nicht schaden, wer sie einfach beobachtet und nicht anfasst, braucht sich keine Sorgen zu machen: „Wie immer sollte man unsere Wildtiere einfach in Ruhe und ihrer Wege ziehen lassen“ appelliert Umweltberater Pusch.

Weibchen schleppen Tausende Eier

Die Weibchen sind deutlich größer als die Männchen. Die Damen schleppen Tausende Eier mit sich herum.
Die Weibchen sind deutlich größer als die Männchen. Die Damen schleppen Tausende Eier mit sich herum. © Funke Medien Thüringen | Dirk Bernkopf

Besonders in den Monaten März bis Mai – in diesem Jahr teilweise sogar schon ab Ende Februar – würden die Ölkäfer auftreten. Sie können nicht fliegen. Die Käfer ernähren sich von Bärlauch, Scharbockskraut, Buschwindröschen sowie vielen anderen Blütenpflanzen. „Die Weibchen der beiden Arten besitzen einen bis zu fünf Zentimeter langen, gedrungenen Körperbau“, sagt Pusch. Sie schleppen im Frühjahr riesige Mengen an Eiern mit sich herum. Der Hinterleib der Käfer ist dadurch derart aufgedunsen, dass die Deckflügel nur noch wie kleine Anhängsel wirken.

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Die Männchen kann man anhand ihrer deutlich geringeren Größe sowie ihrer geknickten Fühler gut von den Weibchen unterscheiden. „Diese enorme Überproduktion von Eiern – mehrere Tausend – ist bei den Ölkäfern notwendig, da es aufgrund ihrer hoch spezialisierten Lebensweise nur wenige Larven dieser Insekten schaffen, sich zum erwachsenen Käfer zu entwickeln“ so Pusch weiter. „Nur aus etwa jeder tausendsten Larve entwickelt sich am Ende ein Ölkäfer.“

Sie krallen sich an Bienen fest

Die Eier würden in Häufchen in der Erde vergraben und verblieben zunächst fast ein Jahr lang im Boden. Im folgenden Jahr schlüpfen die Larven und klettern auf einen Blütenstängel: „Dort warten die Larven in der Blüte und heften sich schließlich mithilfe besonderer Haft-Klauen und ihrer Kiefer ins Haarkleid oder an die Borsten von Insekten, die diese Blüten besuchen.“

Die Larven der beiden bekannten Ölkäferarten entwickeln sich in den Nestern solitär lebender, bodennistender Wildbienen, z.B. Seiden- und Erdbienen. Sie klammern sich auch an viele andere Blüten besuchenden Insekten an, können sich aber nur in Wildbienennestern fortpflanzen. Hat die Ölkäfer-Larve sich an einer Wildbiene festhalten können, wird sie von dieser ins Nest eingetragen, wo sie sich zuerst über das Ei der Biene und anschließend über die eingetragenen Vorräte ihres Wirtes hermacht. Die Entwicklungszeit vom Ei bis zum fertigen Käfer dauert bei beiden Arten zwei Jahre, die Lebensdauer der erwachsenen Tiere beträgt hingegen nur etwa einen Monat.