Oering. Über Nacht waren die Stapels obdachlos. Ihr Haus in Oering brannte ab, sie verloren alles. Eine Welle der Solidarität gibt Hoffnung.

Sie haben in dieser Nach wirklich alles verloren. Steffi und Martin Stapel aus Oering mussten ohnmächtig mitansehen, wie ihr Lebensmittelpunkt in Flammen aufging. Wie das Feuer alles auffraß, was ihnen etwas wert war. Die beiden und ihre 13-jährige Tochter kamen unverletzt davon, zum Glück. Aber ihr Leben, wie sie es bisher kannten, wurde am 22. März auf den Kopf gestellt.

Acht Feuerwehren aus der Region wurden am Freitag vor einer Woche nach Oering alarmiert. Einsatzstichwort Feuer G. G für größer als Standard. Am Einsatzort, dem Olen Redder, stank es schon nach Qualm, ein Rauchpilz stand über dem Ort und das Feuer schlug aus einem Schuppen neben dem Reetdachhaus in Fachwerkbauweise.

Feuerwehr kapitulierte vor den Flammen

80 Feuerwehrleute aus der Region waren am Freitag, 22. März, im Einsatz, um das Haus der Familie Stapel zu löschen.
80 Feuerwehrleute aus der Region waren am Freitag, 22. März, im Einsatz, um das Haus der Familie Stapel zu löschen. © Leimig

Die Feuerwehrleute versuchten alles, doch gegen die Macht der Flammen mussten sie schließlich kapitulieren. Das Haus der Stapels mitsamt des Anbaus brannte komplett ab. Der Feuerwehr gelang es nur, ein Nachbarhaus vor dem Überschlagen der Flammen zu schützen. Bis 3.30 Uhr waren die Wehren im Einsatz. Am Ende wurde das Haus mit einem Bagger eingerissen, um den Flammen endgültig den Garaus zu machen.

„Sie mussten sich das alles mit anschauen“, sagt Gyde Dendler. „Und sofort, als ich davon hörte, war mir klar: Den beiden muss man helfen. Die schaffen das nicht alleine.“ Dendler ist Pferdetherapeutin und sie führt das Gut Waldhof in Kisdorf. Steffi Stapel arbeitet seit ein paar Jahren auf dem Gut. „Sie kümmert sich um die Pferde und sie macht das gut. Sie ist eine geschätzte Mitarbeiterin bei uns“, sagt Dendler.

Ein ganzes Dorf und eine Region halten zusammen

Die Ostheopathin Gyde Dendler betreibt das Gut Waldhof in Kisdorf. Sie organisiert die Hilfe für ihre Mitarbeiterin Steffi Stapel und deren Familie.
Die Ostheopathin Gyde Dendler betreibt das Gut Waldhof in Kisdorf. Sie organisiert die Hilfe für ihre Mitarbeiterin Steffi Stapel und deren Familie. © Tanja Breukelchen | Tanja Breukelchen

Die Stapels waren nach dem Brand obdachlos, mittellos und hoffnungslos. Doch durch Dendlers Engagement und die Hilfe so vieler anderer Menschen in Oering und darüber hinaus, keimt nun langsam wieder Hoffnung, dass die Tragödie doch noch ihr gutes Ende finden könnte.

Im Zentrum der Hilfe steht Gyde Dendler. Sie hat so eine Hilfsaktion mit diesem Ausmaß noch nie koordiniert. Und wächst da jetzt irgendwie rein. „Mein Mann und ich haben ein großes Netzwerk. Und das zapfen wir an“, sagt Dendler.

Haus ist nicht brandschutzversichert

Am Tag nach dem Brand: Das 200 Jahre alte Haus ist nur noch ein Haufen Trümmer.
Am Tag nach dem Brand: Das 200 Jahre alte Haus ist nur noch ein Haufen Trümmer. © privat | Martin Stapel

Zunächst verschaffte sie sich ein Bild über die Situation. Und die ist prekär. Die Familie hatte keine Brandschutzversicherung für das Haus abgeschlossen. Offenbar hatten sie sich die jährlichen Versicherungskosten nicht leisten können, sagt Dendler. Das war fahrlässig. Denn das über 200 Jahre alte Haus, in dem schon fünf Generationen der Familie lebten, ist das Wertvollste was Martin Stapel, der gelernte Schlosser, und Steffi Stapel, die Pferdepflegerin, besitzen.

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„Hilft jetzt auch nicht weiter, sie hinterher zu verurteilen“, sagt Dendler. „Die Stapels können echt nichts dafür, sie hatten einfach nur Pech.“ Nach jetzigem Stand der Erkenntnis ist wohl ein E-Bike der Marke Eigenbau für den Brand ursächlich. „Martin hat sich so einen Selbstbausatz zugelegt und an ein Fahrrad montiert“, sagt Dendler. Offenbar soll sich der Lithium-Ionen-Akku des Antriebs selbst entzündet haben.

Asbest im Gemäuer: Der Schutt ist Sondermüll

Am Ende wurde das Haus der Stapels mit Baggern eingerissen.
Am Ende wurde das Haus der Stapels mit Baggern eingerissen. © privat | Martin Stapel

Das abgebrannte Haus ist noch dazu Sondermüll. Asbest war in dem alten Gemäuer verbaut. Die Entsorgung der Trümmer auf dem Grundstück wird einiges kosten. Dendler war erstaunt, wie schnell einige im Dorf die Rechnung aufmachten. Manche wollten den Stapels schon das Grundstück abkaufen, da qualmten noch die Trümmer.

Die Bank rechnete Dendler und den Stapels vor, dass der Grundstückswert gerade so die Entsorgungskosten decken könnte. Und dann? Stünde die Familie mit Nichts da und hätte wirklich alles verloren.

Gyde Dendler will das nicht zulassen. „Wir wollen die Räumung des Grundstückes erreichen und dann ein kostengünstiges Haus darauf neu errichten“, sagt sie. „Die Stapels leben gerne in Oering, sie haben nicht viel Geld, wo sollen sie denn unterkommen?“

Spenden und Wohltätigkeit sind gefragt

Geld muss also her. Und jede Menge unentgeltliche Hilfe. Gyde Dendler startete in einer ersten Reaktion auf gofundme.com eine Spendenaktion für die Stapels. Um zunächst Geld zur Verfügung zu haben, um das Nötigste für den täglichen Lebensunterhalt zu kaufen.

„Die Reaktion war wirklich überragend. Das ganze Dorf und die Region halten zusammen. So viele Menschen haben gespendet. Sogar Geschäftspartner meines Mannes aus den USA.“ Schon über 21.000 Euro sind bisher zusammen gekommen. „Und mich erreichen Hunderte E-Mails von Leuten, die Sachspenden haben.“ Gyde Dendler verwaltet das Geld auf einem Treuhandkonto und zahlt es davon den Stapels aus. „Es soll alles geordnet sein. Und Martin und Steffi sind jetzt so durch den Tüddel, die haben für nichts einen Kopf.“

Bürgermeister organisiert eine Wohnung

Eine Bleibe auf Zeit ist organisiert. „Oerings Bürgermeister Bodo Nagel hat für die Stapels eine eigentlich für Asylbewerber vorgesehene Wohnung frei gemacht“, sagt Dendler. Dort könne die Familie nun zunächst bleiben, vielleicht auch in den nächsten Jahren, bis alles geklärt ist.

Parallel hat Dendler über ihr Netzwerk bereits einen Bauunternehmer an Bord geholt. „Der stellt kostenlos Personal und Gerät, um das abgebrannte Haus und die kontaminierte Erde auf dem Grundstück abzutransportieren.“ Und für die künftige Bebauung des Grundstücks haben sich Gyde Dendler und eine Freundin mit Ahnung von der Materie bereits kostengünstige Alternativen ausgeguckt.

Die Stapels und Gyde Dendler hoffen, dass die Welle der Solidarität noch eine Weile anhält, damit sie ihre Ziele erreichen können. „Wer immer bereit ist, zu helfen, kann sich bei uns melden“, sagt Dendler.