Kaltenkirchen. Besuch bei Fetihspor Kaltenkirchen: Wie eine kleine Gruppe Enthusiasten im Club eine US-Trendsportart voranbringt.

Für Matthias und Sabine Wüstemann rückt an diesem Abend endlich mal nicht der Sport in den Vordergrund – stattdessen Ruhe und Entspannung nach etwas stressigen Tagen. Das Ehepaar steht in der Küche und bereitet ein leckeres Abendessen vor. Letztlich planen die beiden aber doch wieder die nächsten Tage voraus. Matthias und Sabine Wüstemann freuen sich in ihrem Verein Fetihspor in Kaltenkirchen auf gemeinsame Trainingsstunden beim Dart-Werfen, das in ihrer Beliebtheitsskala weit oben angesiedelt ist. Matthias und Sabine Wüstemann favorisieren allerdings mehr noch einen Sport, der hierzulande fast vollkommen unbekannt ist. Das könnte sich indes schon in naher Zukunft ändern. Bei Fetihspor, wo sie Mitglied sind, wird nicht nur Fußball gespielt, sondern auch Cornhole, eine dieser Trendsportarten, die ihren Ursprung in den USA haben und die vor zehn Jahren Einzug in Europa gehalten hat.

Etwas abseits vom Geschehen im Kaltenkirchener Club trifft sich das Ehepaar Wüstemann in der Halle an der Schirnauallee zweimal die Woche mit Vereinsfreunden. Die Gruppe der Cornhole-Enthusiasten zählt zwei Jahre nach Gründung der Abteilung zwar erst 14 aktive Sportler, laut Spartenleiterin Sabine Wüstemann zeigt die Tendenz aber mehr und mehr nach oben. „Vor allem Neugier und Kontaktfreudigkeit lockt die Mitglieder an. Jeder kann Cornhole spielen und seine Zielsicherheit überprüfen. Es gibt diverse Turniere und Meisterschaften, die den Reiz noch erhöhen.“

Cornhole bei Fetihspor: 400 Gramm schweres Sportgerät mit besonderen Eigenschaften

Ihr Ehemann betritt mit seiner Frau das Hallenparkett. Er greift sich aus einem Korb vier Stoff-Bags, die mit Granulat gefüllt sind, zielt auf ein acht Meter entferntes Board (Brett) und versucht das etwa 400 Gramm leichte „Sportgerät“ direkt in einem Loch zu versenken. Der Sack segelt mit einem leichten Drall versehen Richtung Brett und gleitet tatsächlich langsam ins Loch.

„Sensationell“, so die Reaktion anderer Trainingsbeteiligter, die kurz darauf noch mehr staunen, als Wüstemanns Gattin gleich noch einen draufsetzt und den quadratischen Sack genau ins Ziel setzt. „Solch ein Superwurf, eine so genannte Airmail, gelingt einem eigentlich nicht jedes Mal“, meint Sabine Wüstemann fast entschuldigend. Die Spartenchefin funktioniert das heimische Wohnzimmer häufig zur Werkstatt um und baut das Equipement für ihr Freizeithobby selbst zusammen.

„Verletzungen sind so gut wie ausgeschlossen“

Ihr Mann nickt anerkennend und erklärt, wie Idealkurven bei Training und Wettkämpfen eigentlich gefunden werden. „Man muss zunächst trainingsfleißig sein, dann hat man den Dreh schnell raus und es flutscht fast von ganz allein.“ Und: „Man darf sich nicht entmutigen lassen, wenn ab und zu der Wurm drin zu sein scheint. Auch ist die Koordination zwischen Auge und Hand ein wichtiger Aspekt, um erfolgreich zu sein.“

Sie spielen bei Fetihspor Cornhole: Sabine Koch, Michael Lemke, Timm Kalweit, Christiane Bödiker, Tobias Buchholz, Sabine Wüstemann, Matthias Wüstemann und Sabrina Harms (oben von links); kniend: Frank Schneider.
Sie spielen bei Fetihspor Cornhole: Sabine Koch, Michael Lemke, Timm Kalweit, Christiane Bödiker, Tobias Buchholz, Sabine Wüstemann, Matthias Wüstemann und Sabrina Harms (oben von links); kniend: Frank Schneider. © Karsten Jaeger | Karsten Jaeger

An einem normalen Trainingsabend schmeißen die Kaltenkirchener Cornhole-Freunde ungefähr 700 bis 800 Säcke durch die Halle. „Das kann ganz schön anstrengend sein“, sagt Sabine Wüstemann, die allerdings betont: „In unserem Sport sind Verletzungen so gut wie ausgeschlossen.“ Weil dem so ist, bleibt nach dem Sport auch genügend Zeit für ein gemütliches Beisammensein.

Mehr zum Thema

Cornhole: In den USA gibt es sogar Profi-Trainer

Wie aber geht es eigentlich bei den im Schnitt 300 Sportlern zu, die in den USA an Stränden oder in riesigen Cornhole-Centern fast den ganz Tag an die Holzboards treten, um wie beim Darts stundenlang zu werfen? „In Amerika fasziniert der Sport so extrem, dass sogar professionelle Trainer auf YouTube ihre Dienste anbieten“, so Matthias Wüstemann. Ganz so krass spielt sich der Betrieb in Kaltenkirchen natürlich nicht ab.

Eine kleine Ausnahme bilden da vielleicht drei noch folgende Top-Ereignisse für die Cornhole-Asse in diesem Jahr. Am Sonnabend, 23. März, findet an der Schirnauallee die erste von drei Veranstaltungen im Rahmen der German Cornhole Series statt, einem Ranglistenturnier bei den Herren, Damen und Mixed. Am 31. August geht es an gleicher Stelle mit der Duellen in der Bundesliga weiter, und am 16. November trägt Fetihspor die deutsche Teammeisterschaft aus. Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, wollen die Kaltenkirchener sogar im Urlaub unbedingt Cornhole spielen.

Getreu nach dem Motto: Das Eckige soll möglichst ins Runde fliegen und nicht umgekehrt wie beim Fußball…

Cornhole: So funktioniert die US-Trendsportart

Cornhole, übersetzt Bean Bag oder Sackloch, ist ein Freizeitsport, bei dem mehrere Spieler abwechselnd mit Granulat oder Mais gefüllte kleine Säcke (Bean Bags) auf eine angehobene, schräge Plattform mit einem Loch werfen. Bleibt ein Säckchen auf der Plattform liegen, ist ein Punkt erzielt. Fällt jenes ins Loch, kann man drei Punkte notieren. Cornhole entfacht vor allem in den USA Begeisterung.

Geschichte: Es ist unbekannt, wo der wahre Ursprung des Spieles liegt, obwohl es diesbezüglich diverse Geschichten und Vermutungen über die Entstehung von Cornhole gibt. Eine besagt, dass das Spiel erstmals im 14. Jahrhundert in Deutschland betrieben wurde und im letzten Jahrhundert in Ohio wiederentdeckt wurde. Es gibt Augenzeugen, die besagen, dass Indianer, vorwiegend der Blackhawk-Stamm nahe Illinois, einen ähnlichen Sport praktizierten. Das Spiel genoss in den 1990er-Jahren zunehmende Popularität.

In Deutschland wurde Cornhole in der Sendung „Schlag den Raab“ im Dezember 2011 vorgestellt und somit erstmals einem breiteren Publikum bekannt. Der Deutsche Cornhole-Verband richtete am 16. und 17. Juni 2012 die erste offizielle Deutsche Meisterschaft aus.

Die Bretter

Die Bretter (Boards) haben in der international anerkannten Variante die Abmessungen 120 cm × 60 cm. Die Deutsche Cornhole-Organisation (DCO) trägt ihre Turniere auf Basis dieser internationalen Version aus, während der Spielbetrieb des Deutschen Cornhole-Verbandes (DeCoV) auf dem kleinen Format (90 cm × 60 cm) stattfindet.

Allgemeine Spielregeln:

Double: Ein Spiel läuft mit vier Akteuren einer Mannschaft, die jeweils Zweierteams bilden. Sie verteilen sich jeweils links und rechts in der so genannten Pitchers Box, die sich neben der Cornhole-Plattform der Gegner befindet. Jeder Spieler wirft auf die gegenüberliegende Plattform jeweils vier Säckchen. Die beiden Plattform-Bretter stehen mit einem Abstand von 8,23 Metern von Vorderkante zu Vorderkante auseinander.

Single: Ein Single-Match wird mit nur zwei Akteuren durchgeführt. Die anderen Regeln werden vom Double übernommen. Im Team-Wettkampf werden vier Einzel- und zwei Doppelpartien ausgetragen.

Punkte und Ablauf: Die bunten Säckchen, die nach dem Wurf ohne den Boden zu berühren auf dem Board liegenbleiben, zählen einen Punkt. Ein Säckchen, das in das Loch fällt, bedeuten drei Punkte. Jedoch können auch Punkte verloren gehen, wenn ein Spieler ein Säckchen mit einem anderen von der Plattform stößt. Außerdem kann ein Bag, das auf dem Board liegt, mithilfe eines anderen Säckchens ins Loch geschoben werden. Säckchen, die auf dem Board liegen, aber den Boden berühren, sind ungültig und werden sofort entfernt. Gezählt wird die Differenz der Punkte. Der Spieler, der als erster 21 Zähler erzielt, hat den Satz für sich entschieden. Bei Satzausgleich ist am Ende derjenige Sieger, der zuerst zwei Durchgänge gewonnen hat.

Ansprechpartner bei Fetihspor: Sabine Wüstemann (0152/08521950), oder über die Facebook-Seite des Vereins (Fetihspor Kaltenkirchen Cornhole).