Norderstedt. Abstiegsbedrohter Regionalligist präsentiert vor Spiel gegen Hannover 96 II neuen Trainer. Die 1:3-Niederlage sieht er als Zuschauer.

  • Eintracht Norderstedt hat nun sechsmal in Folge verloren
  • Jean-Pierre Richter arbeitete früher unter anderem bei der TuS Dassendorf
  • Der bisherige Trainer Max Krause bleibt im Verein

Am Sonnabendmorgen passierte das, was sich bei Eintracht Norderstedt schon lange angebahnt hatte. Der abstiegsbedrohte Fußball-Regionalligist verkündete die Neubesetzung der Trainerposition – mit einer ebenso ungewöhnlichen wie stilvollen Lösung. Coach Max Krause (34) rückt nach sechs Niederlagen in Serie wieder als Co-Trainer ins zweite Glied, Jean-Pierre Richter (36) übernimmt ab Montag die Geschicke des Teams im Abstiegskampf. Die zuvor erneut schwache Leistung am Mittwoch beim 0:3 (0:0) im Derby gegen die U21 des Hamburger SV war der finale Beweis für die Vereinsführung, dass es mit Krause als verantwortlichem Coach an der Seitenlinie nicht mehr funktioniert.

Richter hätte eigentlich erst im Sommer übernehmen sollen, so die Eintracht. Auch, weil Max Krause nicht über die nötige A-Lizenz für die vierthöchste deutsche Spielklasse verfügt, also nur mit einer Ausnahmegenehmigung aktiv sein durfte. „Die sportliche Situation führt nun allerdings dazu, dass wir den für Sommer geplanten Schritt vorziehen, um unser Ziel, den Klassenerhalt, zu erreichen. Wir werden alles daransetzen, die notwendigen Punkte zu holen und die Fans für die Eintracht zu begeistern“, so Sportchef Denny Schiemann, der Richter seit Jahren persönlich kennt.

Eintracht Norderstedt: Trainerwechsel – Jean-Pierre Richter soll den Club retten

Dieser ließ sich via Verein so zitieren: „Ich freue mich sehr auf den Verein, die Spieler, das Trainer- und Funktionsteam, sowie auf die Verantwortlichen und Fans. Mit dem Potenzial des Vereins, das aktuelle Team auch durch junge Talente aus der eigenen U23 sowie U19 weiterzuentwickeln, sind herausragende Voraussetzungen zusammen mit der großartigen Infrastruktur vorhanden. Ich bin stolz nun ein Teil der Eintracht zu sein und werde die Aufgabe mit maximaler Bereitschaft sowie voller Leidenschaft angehen, sodass wir die Ziele des Vereins in der Regionalliga gemeinsam erreichen werden.“

Schiemann hielt damit sein Wort, dass Krause „gegen Hannover 96 II auf jeden Fall auf der Bank sitzt“. Diese Partie gegen den Tabellenführer fand nun also in prekärer Lage sozusagen als Abschiedsspiel um Punkte statt. Unter den Augen von Richter, der sich aus Respekt vor Krause nicht vor Montag abgesehen der Pressemitteilung zum neuen Amt äußern will, lieferte das Team eine starke Leistung ab.

Gegen Tabellenführer Hannover zeigt die Eintracht eine couragierte Leistung

„Ihr müsst zeigen, wer ihr seid“, hatte Krause seiner Mannschaft vorher gesagt. Und: „Wenn du richtig in der Scheiße steckst, hilft es nichts, die Tür zuzumachen. Du musst da voll rein.“ Das tat die Mannschaft. Sie warf sich in jeden Ball, erzielte früh die Führung durch Nils Brüning (4.), Zwar drehte Hannover die Partie schnell durch Tore nach zwei Standardsituationen. Die Treffer von Muhammad Damar (9.) und Antonio Foti (11.) führten zum 1:2.

Doch anders als in den letzten Wochen folgte kein Einbruch. Über großen Kampf fand die Eintracht zum Spiel, und hatte Pech: Keeper Toni Stahl räumte Nick Selutin im Sechzehner ab (30.). Ein klarer Elfmeter, der Pfiff des schwachen Schiedsrichters Sven Asmussen blieb aber aus. In der zweiten Hälfte schnürte Norderstedt den Favoriten 20 Minuten lang komplett ein, verwertete aber beste Torchancen nicht. Unter anderem traf Manuel Brendel per Kopf die Latte (62.).

Damar erzielte schließlich für Hannover in der Schlussminute das 3:1. Einen Punkt aber hätte sich die Eintracht verdient gehabt. „Ich bin stolz darauf, welche Leistung wir heute gezeigt haben“, sagte Krause. „In den letzten Monaten ist der Transfer vom Training auf dem Platz leider nicht gelungen wie erwünscht. Ich will lernen, für mich ist die Co-Trainer-Rolle kein Rückschritt. Ich freue mich sehr auf den Austausch mit Jean-Pierre Richter.“

Jean-Pierre Richter: 2019 gewinnt er den Hamburger Pokal – im Finale gegen Norderstedt

Ein starker Abschied Krauses, der großen Respekt abnötigt. Und der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Jean-Pierre Richter feierte seinen größten Erfolg als Trainer ausgerechnet im Pokalfinale 2019 mit Oberligist TuS Dassendorf beim 2:1 gegen Eintracht Norderstedt. Richter war damals auf dem Gipfel seiner Trainerkarriere angekommen. Eine große Spielerkarriere – Richter spielte in der legendären A-Jugend des SC Vier- und Marschlande mit Martin Harnik und Max Kruse – war durch eine böse Knieverletzung verhindert worden.

Also wurde Richter ein richtig guter Trainer. Seine eingeschworene Gemeinschaft aus vielen jungen, technisch versierten Spielern führte der taktisch versierte Richter beim FC Süderelbe steil nach oben. In sechs Spielzeiten von 2010 bis 2016 transformierte er den Landesligisten zu einem etablierten Oberligisten. Sein Fußball: schnell, mitreißend, von vielen Kurzpässen und taktischen Finessen geprägt. Ein sehr ehrgeiziger Fußball-Nerd auf dem Platz, dieser Richter. Menschlich dafür ein kommunikativer Kumpeltyp, stets für einen lockeren Spruch zu haben. Seine nächste Station war der SC Victoria. Neun Monate war Richter dort Manager, weitere 20 zudem in Personalunion Trainer. Durch Vicky stieg Richter ein Level auf, blieb aber Außenseiter auf hohem Niveau. Er wollte mit Victoria um Titel mitspielen. Doch Präsident Ronald Lotz entließ ihn im November 2018 auf fragwürdige Weise.

Bei der TuS Dassendorf musste Richter auf Drängen der Mannschaft gehen

Richter wiederum wollte nun endlich etwas gewinnen. Logischerweise wechselte er also zum Platzhirschen TuS Dassendorf, dem Serienmeister der Oberliga Hamburg. Nach einem Pokalsieg und zwei Meisterschaften hatte er sich aber mit dem Team entzweit. Richter stießen die Genügsamkeit seiner Spieler und die fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten in Dassendorf auf, da am Wendelweg der Aufstieg in die Regionalliga Nord traditionell gescheut wird. Unmittelbar vor dem Start der Spielzeit 2022/23 musste Richter auf Wunsch der Mannschaft seinen Hut nehmen.

Bis dahin war Richter stets eine Stufe höher gestiegen im Hamburger Amateurfußball. Doch nun wechselte er in den Wartestand und coachte aus alter Verbundenheit seinen Heimatverein TuS Finkenwerder in der Bezirksliga.

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Eintracht Norderstedt scheint für Richter wie gemalt. Zum ersten Mal ein Regionalligist, dazu ein Team, welches das Potenzial besitzt, um schönen und erfolgreichen Fußball zu spielen. Die Realität heißt allerdings Abstiegskampf. Richter wird zunächst pragmatisch vorgehen, den schnellen Erfolg vor sein Fußballideal stellen müssen. Um dieses zu verwirklichen, hat er einen Vertrag bis zum Sommer 2026 erhalten. Ein großer Vertrauensbeweis von Eintracht Norderstedt für Richter.

Eintracht Norderstedt: Vorstand nimmt die zuletzt desolate Mannschaft in die Pflicht

„Wir als Spieler sind mitschuldig an dieser Situation. Wir stehen auf dem Platz und sind für unsere Leistungen verantwortlich“, sagte Kapitän Juri Marxen nach dem Hannover-Spiel. Und betonte, es habe „zwischenmenschlich keinerlei Probleme mit Max Krause gegeben. Nun“, so der Rechtsverteidiger, „freuen wir uns auf den neuen Trainer und wollen alle gemeinsam, Trainerteam und Spieler, wieder erfolgreich sein.“ Und er gab sich zuversichtlich: „Wenn wir so spielen wie heute, steigen wir definitiv nicht ab.“

Julia Karsten-Plambeck, Präsidentin von Eintracht Norderstedt, zeigt sich überzeugt von Jean-Pierre Richter, nimmt aber auch das zuletzt streckenweise desolate Team in die Pflicht. „Man hat das Feuer für die Aufgabe in seinen Augen brennen sehen. Wir haben im Hintergrund die wirtschaftlichen Bedingungen für eine Zukunft in der Regionalliga geschaffen. Nun gilt es in der neugeschaffenen Konstellation, möglichst schnell auch die sportliche Qualifikation zu erreichen.“