Mieterhöhungen bleiben aber unter 15 Prozent in drei Jahren. Spielraum für Vermieter muss nicht eingeschränkt werden

Norderstedt. Die Mieten im Hamburger Umland sind hoch, mehrere Jahre rangierte Norderstedt bei den Mietpreisen bundesweit unter den Top 10. Inzwischen ist die Stadt in der letzten Analyse des Hamburger Immobiliendienstleister F+B vom vorigen Jahr auf Rang 42 abgerutscht. Dennoch spricht Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD von der „Mietpreishochburg“ im Norden. Er wollte weiteren hohen Mietsteigerungen vorbeugen und im Rand der Metropole die sogenannte Kappungsgrenze auf 15 Prozent in drei Jahren senken. Danach dürften Vermieter in diesem Zeitraum maximal 15 Prozent mehr Miete kassieren und nicht, wie allgemein üblich, 20 Prozent.

Die Piraten im Kieler Landtag unterstützen den Vorstoß: „Wenn die Mieten in Norderstedt, Rellingen, Tangstedt oder Kaltenkirchen seit 2010 schon im Mittel um mehr als zehn Prozent angestiegen sind, müssen die Kommunen ihre Bürger doch vor extremen Anhebungen schützen“, fordert der Landesvorsitzende Christian Thiessen. Da im Juni landesweit 15.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung gefallen sind und damit günstiger Wohnraum verloren gehe, sei es umso wichtiger, den Vermietern engere Grenzen zu setzen. Der Verlust an Sozialwohnungen wird in Norderstedt besonders stark spürbar: 3000 Sozialwohnungen hat Norderstedt in den 90er-Jahren gehabt, am 30. Juni waren es noch 2335, einen Tag später nur noch 1761.

„Alle Städte und Gemeinden müssen jetzt Verantwortung für ihre auf bezahlbaren Wohnraum besonders angewiesenen Bürger übernehmen. Sie sind aufgerufen, die vom Innenministerium noch bis zum 29. August 2014 eingeräumte Möglichkeit einer Absenkung der Kappungsgrenze zu nutzen“, fordert Schleswig-Holsteins Piratenchef. Da diese Frist in die Sommerpause falle und die Kommunalvertretungen nicht tagen, solle das Innenministerium diese Frist „fairerweise“ noch einmal verlängern. „Denn der Schutz bezahlbaren Wohnraums in Schleswig-Holstein ist unser aller Aufgabe“, sagt Thiessen. Er sieht neben Norderstedt auch Wentorf, Halstenbek, Bargteheide, Ellerau, Reinbek, Schenefeld, Henstedt-Ulzburg, Pinneberg, Elmshorn, Tangstedt, Oststeinbek, Rellingen und Kaltenkirchen in der Pflicht, den Mietanstieg auf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren zu bremsen.

Doch das erwartete positive Votum blieb aus, die Städte und Gemeinden lehnten Breitners Initiative ab. „Ein solches Instrument würde bei uns stumpf bleiben, weil es bei uns keine Miethaie gibt“, sagt Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders. Die aktuelle Mieterhöhung der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaft Adlershorst sei ein gutes Beispiel dafür. Das Unternehmen hatte den Mietern in den Wohnungen an der Heidbergstraße angekündigt, die Mieten zum 1. August um rund elf Prozent anheben zu wollen (wir berichteten). Betroffene wehren sich dagegen und wollen vor Gericht ziehen, weil sie die Begründung, wonach sich die künftigen Mietpreise an der Obergrenze des Mietenspiegels orientieren, für unzulässig halten.

„Wir haben keine Kenntnis davon, dass Vermieter in Norderstedt die Mieten um 15 oder mehr Prozent innerhalb von drei Jahren erhöht haben. Das war auch in der Politik und im Sozialausschuss nie ein Thema“, sagt die Dezernentin, die als Probleme eher die Sanierung mit anschließender Mieterhöhung und die Neuvermietung ausgemacht hat. Beides falle aber gerade nicht unter die von den Piraten geforderte Absenkung der Kappungsgrenze.

Allerdings gebe es auch für die Modernisierung klare gesetzliche Vorgaben. Sind die Arbeiten beendet, darf die Miete um maximal elf Prozent steigen. Mietpreissprünge von 30 Prozent oder mehr gebe es aber, wenn eine Wohnung neu vermietet wird. Die Bundesregierung arbeite gerade an einem Gesetz, das diese extremen Mietpreisanstiege dämpfe. Vorgesehen sei, dass die Miete höchstens auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich zehn Prozent steigen dürfe, wenn Wohnungen aus dem Bestand wieder vermietet werden.

„Zurzeit wird diskutiert, ob Neubauwohnungen von dieser Regelung ausgenommen werden, den erforderlichen Wohnungsbau nicht zu beschränken“, sagt die Dezernentin, die damit beim Kern des Mietpreisdilemmas angekommen ist: „Was wir brauchen, sind Wohnungen, Wohnungen und nochmals Wohnungen.“

Bezahlbarer Wohnraum sei in Norderstedt Mangelware. Die Stadt habe seit ihrer Gründung 1970 um 20.000 Einwohner auf jetzt gut 75.000 zugelegt. Es gebe aber kaum Altbaubestand, der Anteil an Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern sei hoch.