Seit 25 Jahren pendelt Reimer Böge (CDU) zwischen Hasenmoor, Kiel, Brüssel und Straßburg

Dieser Mann trägt Europa im Herzen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Reimer Böge ist einer, der rastlos unterwegs ist. Einerseits bemüht er sich erfolgreich, seinen Bauernhof in Hasenmoor im Griff zu behalten. Das klappt tadellos, wobei es natürlich Menschen gibt, die ihn dabei unterstützen. Andererseits ist er ständig für das Wohlergehen seines Heimatlandes Schleswig-Holstein und für das Wohlergehen seiner Herzenspartei im Einsatz: Er ist Landesvorsitzender der CDU und hat schon mal anklingen lassen, dass er durchaus nicht abgeneigt wäre, als Spitzenkandidat seiner Partei in die nächste Landtagswahl zu gehen, um anschließend Ministerpräsident zu werden. Er pendelt zwischen Hasenmoor, Kiel, Brüssel und Straßburg, weil er seit 1989 Europaabgeordneter ist.

Und schließlich stehen regelmäßige Abstecher nach London auf dem Programm, die ihm noch größere Herzensangelegenheiten sind. Dort nämlich lebt seine Ehefrau. Manchmal reist er auch nach Zypern, weil seine Maria von dort stammt. Ein großes Programm für einen Mann, der im Dezember 62 Jahre alt geworden ist. „Ich habe schon einen straffen Terminkalender“, sagt der Landwirt, Europa- und Landespolitiker in aller Bescheidenheit.

Der frühere Mittelstreckenläufer fühlt sich in der Form seines Lebens – als Politiker. „Meine Arbeit“, sagt Reimer Böge, „betrachte ich als ein Privileg und nicht als Last.“ Politische Niederlagen gehören zum Geschäft. Der Europaabgeordnete hat gelernt, nicht nachtragend zu sein, und er bemüht sich – seiner Einschätzung nach erfolgreich –, die Sensibilität für Dinge zu erhalten, die den Menschen wichtig sind und sie aufregen. Das sind Fähigkeiten, die auch ein fähiger Politiker erst im Laufe der Jahre lernt. Böge gehört seit 1989 dem CDU-Landesvorstand an und war von 1997 bis 2013 stellvertretender CDU-Landesvorsitzender, seitdem ist er Landesvorsitzender.

Die meiste Zeit hält sich Böge in Brüssel auf. In Straßburg hat er keine Wohnung

Für die Landtagswahl 1992 war er im Schattenkabinett von Spitzenkandidat Ottfried Hennig als Minister für Landwirtschaft und Europa vorgesehen. Von 1992 bis 1997 war Böge Vorsitzender des Bundesfachausschusses Agrarpolitik der CDU und von 1998 bis 2000 und wieder seit März 2013 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Im neuen Europaparlament ist Böge wieder Mitglied im Haushaltsausschuss. In früheren Legislaturperioden war er bereits Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender dieses Ausschusses. Außerdem ist er stellvertretendes Mitglied im Außenhandelsausschuss.

In diesen Ausschüssen arbeitet er mit Kollegen aus allen Ländern zusammen. Dolmetscher stehen für Parlamentssitzungen zur Verfügung, in kleineren Zirkeln müssen die Abgeordneten sich selbst verständigen. Für Reimer Böge ist das kein Problem: Er spricht Englisch und Französisch fließend, kann auch sprachliche Nuancen wahrnehmen und ist so stets auf der Höhe des Geschehens. Nicht alle Abgeordneten beherrschen Fremdsprachen derart perfekt. „Die müssen Sprachkurse belegen oder sehen, wie sie zurechtkommen“, sagt der Europaabgeordnete aus Hasenmoor. Die Plenartagungen gehören zu den wichtigsten Aspekten der Arbeit des Europäischen Parlaments und bilden den Abschluss der legislativen Arbeit, die in den parlamentarischen Ausschüssen sowie in den Fraktionen geleistet wird. Das Plenum ist ferner das Gremium, in dem die Vertreter der Bürger der Europäischen Union – die Europaabgeordneten – am gemeinschaftlichen Entscheidungsfindungsprozess teilnehmen und gegenüber Kommission und Rat ihren Standpunkt vertreten.

In dieser Woche hat das Europaparlament in Straßburg getagt, wo Reimer Böge keine eigene Wohnung hat. Mit dem ICE nach Frankfurt, von dort mit dem Flugzeug weiter. In Straßburg bezieht er ein Hotelzimmer und nutzt den parlamentarischen Fahrdienst, um zum Gebäude des Europaparlaments zu gelangen. Die meiste Zeit aber hält sich Reimer Böge in Brüssel auf, wo die Ausschuss- und Arbeitssitzungen stattfinden. Mit dem Privatwagen fährt er von Hasenmoor nach Fuhlsbüttel, setzt sich ins Flugzeug und ist in einer Stunde in Brüssel. „Das ist erträglich“, sagt der Europaabgeordnete, der zudem mit überschaubarem Gepäck unterwegs ist: In seiner Brüsseler Wohnung kann er seine Anzüge hängen lassen. Von dort schafft er es locker zu Fuß in 15 Minuten zum Parlamentsgebäude.

Als erfahrener Redner weiß Böge, wie er die beste Wirkung erzielen kann

Sitzungen sind gewöhnlich von 9bis 12 Uhr und von 15 bis 18.30 Uhr. Danach geht er in sein Büro (jedem Abgeordneten stehen zwei Räume zur Verfügung), sortiert Informationen, führt Gespräche, trifft sich mit Vertretern von Verbänden, um sich Meinungen zu bilden. Die besten Ideen kommen ihm allerdings nicht am Schreibtisch. „Ich entwickle die Ideen am liebsten auf den Feldern in Hasenmoor; das ist mein Ruhepool.“

15 bis 16 Arbeitstage im Monat verbringt Reimer Böge in Brüssel oder Straßburg, in der übrigen Zeit ist er meistens in seinem Wahlkreis unterwegs – und das heißt: In ganz Schleswig-Holstein. In seinem Kieler Abgeordnetenbüro laufen viele Fäden zusammen. Dort ist bereits seit 1990 seine Mitarbeiterin Elke Hielscher tätig, die für ihn sämtliche Anfragen bearbeitet und die Termine organisiert. Die Flüge werden von seinem Brüsseler Büro, in dem zwei weitere Mitarbeiter sitzen, gebucht.

Reimer Böge ist ein geübter Redner, im Europaparlament haben die einzelnen Abgeordneten jedoch nur wenig Möglichkeiten, sich am Rednerpult zu profilieren. „Bei 251 Abgeordneten in meiner Fraktion wird natürlich um jede Redesekunde gestritten.“ Als erfahrener Europaabgeordneter weiß Reimer Böge längst, wie er mit seinen Reden die beste Wirkung erzielen kann: „Ich versuche, am Ende der Rednerliste zu stehen, weil dann die Möglichkeit größer ist, auf den Punkt zu kommen.“ Zwei bis drei Minuten, mehr ist nicht drin. Böge arbeitet gerne ohne vorgefertigtes Manuskript, weil er es liebt, spontan auf seine Vorredner einzugehen. Die erforderliche Routine hat er sich in jahrelanger Abgeordnetenarbeit erworben. Er achtet darauf, möglichst einfach strukturierte Sätze klar und nicht zu schnell von sich zu geben – das erleichtert die Arbeit der Simultandolmetscher und das Zuhören für die Abgeordneten aus anderen Ländern. Denn jeder Abgeordnete redet in seiner Heimatsprache.

Kann Reimer Böge ein Beispiel nennen, wie sich seine Arbeit als Europaabgeordneter auf Schleswig-Holstein auswirkt? Er muss nicht lange nachdenken. Das Beispiel mag vielleicht nicht besonders lebensnah sein, zeigt aber doch, wie der politische Alltag in Brüssel und Straßburg in der Heimat ankommt: „Wir haben in der EU die Grundlage dafür geschaffen, dass der Ausbau von Autobahnen auch privat finanziert werden kann – und genau das geschieht jetzt in Schleswig-Holstein mit dem Ausbau der A 7.“