Die Mitarbeiterinnen des Jobcenters sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Jetzt dürfen sie wohl doch weiterarbeiten - für weniger Geld.

Kaltenkirchen . Heike Still (Namen aller Betroffenen geändert) ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Gelassen sitzt die 31-Jährige im Konferenzraum des Jobcenters Kaltenkirchen und hört ihrem Chef, dem Leiter des Jobcenters, aufmerksam zu. Michael Knapp referiert darüber, wie gut sie ihre Arbeit erledigt, wie motiviert sie ist. "Ich würde sie gerne behalten", sagt er. Das Problem: Ob Frau Still ihren Job behalten darf oder nicht, kann er nicht entscheiden.

Heike Still war schon in sechs verschiedenen Jobcentern beschäftigt. Seit sechseinhalb Jahren tingelt sie umher: Von Norderstedt nach Elmshorn, nach Pinneberg, über Neumünster nach Hamburg und zurück. Immer bekam sie nur einen befristeten Vertrag, jedes Mal musste sie nach spätestens zwei Jahren gehen. Zurzeit arbeitet sie im Kaltenkirchener Jobcenter, und nun ist es wieder so weit: Im Februar läuft ihr Arbeitsvertrag aus. Arbeitssuchend hat sie sich bereits gemeldet. Drei Monate vor Vertragsende, wie es das Gesetz verlangt - sie ist ja schließlich vom Fach. Weil Heike Still auch in Kaltenkirchen wohnt, musste sie dazu zu ihren Kollegen gehen, die nur ein paar Türen weiter arbeiten. Dort, wo sonst ihre Kunden sitzen, denen sie bei der Suche nach einem neuen Job behilflich ist, saß Heike Still plötzlich selbst.

Die drei Frauen stehen vor einer ähnlich schwierigen Situation wie ihre Kunden

"Ich bin genervt", bricht es schließlich aus ihr heraus. "Das Schizophrene ist doch, dass ich meine Kunden motivieren muss. Die haben genau die gleichen Probleme wie ich." Mit ihr am Tisch sitzen Stills Kolleginnen Anette Baumann, 30, und Silke Ludwig, ebenfalls 30. Auch ihre Verträge laufen aus, anders als bei Still sogar schon zum 1. Januar des kommenden Jahres. "Sie sind motiviert, hervorragend qualifiziert und eingearbeitet. Auch sie will ich unbedingt halten", sagt Michael Knapp.

Alle drei sind bei der Bundesagentur für Arbeit angestellt, die das Jobcenter in Kaltenkirchen zusammen mit dem Kreis Segeberg betreibt. Die Bundesagentur aber will und muss sparen. Verträge entfristet sie derzeit deshalb nicht. Den drei Frauen einen neuen befristeten Vertrag anbieten, darf sie aber auch nicht. Das verhindert das sogenannte Teilzeit- und Befristungsgesetz, mit dem die Arbeitnehmer eigentlich vor immer weiteren befristeten Verträgen geschützt werden sollen. In diesem Fall verhindert es auch ihre Weiterbeschäftigung.

Insgesamt gibt es im Jobcenter 33 befristete Stellen - immerhin jeder fünfte Beschäftigte plagt sich also mit dem gleichen Problem: fehlende Sicherheit. "Eine gewisse Anzahl an befristeten Verträgen zu haben, ist notwendig. Das bringt Flexibilität", sagt Michael Knapp. "Aber derzeit sind es zu viele, um gut arbeiten zu können. So ungefähr zehn Prozent wären angemessen."

Aufgeben kam den drei Jobcenter-Mitarbeiterinnen trotz aller Probleme nie in den Sinn. Der Plan: Der Kreis Segeberg soll den Anteil der Kreisangestellten im Jobcenter um 14 Stellen erhöhen und so die Kürzungen der Bundesagentur für Arbeit kompensieren. Anstatt von der Bundesagentur würden Heike Still, Anette Baumann und Silke Ludwig dann vom Kreis angestellt werden. Für den Kreis Segeberg würde das nicht einmal zusätzliche Kosten verursachen. Das Gehalt für die Angestellten im Jobcenter bekommt er von der Bundesagentur erstattet. So könnten die Betroffenen ihre Jobs behalten und würden darüber hinaus auch noch die lang ersehnten unbefristeten Verträge bekommen. Gemeinsam mit Michael Knapp kämpfen sie für diese Lösung, schrieben Briefe an die Kreispolitiker und meldeten sich in den Ausschüssen zu Wort. Das Kuriose: Heike Still, Anette Baumann und Silke Ludwig setzen sich damit für die Kürzung ihres eigenen Gehalts ein. Denn Kreisangestellte werden beim Jobcenter schlechter bezahlt als Angestellte der Bundesagentur - selbst wenn sie die gleiche Arbeit machen. Grund sind die unterschiedlichen Tarifverträge für Angestellte des Kreises und des Bundes.

Wenn sie ihren Job behalten, bedeutet das bis zu 380 Euro weniger im Monat

380 Euro brutto weniger im Monat wären es somit für Silke Ludwig. "Das ist ungerecht", sagt sie wütend. "Nicht einmal der Staat schafft es, fair zu bezahlen." Trotzdem würde sie, genau wie ihre Kolleginnen, die Einbußen beim Gehalt in Kauf nehmen. "Wir brauchen Sicherheit. Ich habe zwei Kinder. Meine Bank lacht mich doch aus, wenn ich mit einem befristeten Vertrag einen Kredit aufnehmen möchte", sagt Heike Still.

Der hartnäckige Einsatz für ihre Arbeitsplätze scheint sich gelohnt zu haben. Mehrere Monate brüteten die Politiker über der beantragten Erhöhung des Kreisanteils bei den Stellen im Jobcenter. Mittlerweile zeichnet sich ein Teilerfolg für die Betroffenen ab: Die Politiker wollen zwar nicht 14, aber immerhin acht Stellen bewilligen. Damit wären Heike Still, Silke Ludwig und Anette Baumann gerettet. Andere Mitarbeiter, deren Verträge wenige Monate später auslaufen, müssten weiter bangen. Die endgültige Entscheidung fällt heute Abend bei der Sitzung des Kreistags. Die drei engagierten Mitarbeiterinnen werden bis dahin weiter zittern. Mit der ständigen Ungewissheit im Hinterkopf, sagen sie offen, sei es kaum möglich, ihre Kunden zu motivieren, auch befristete Verträge anzunehmen.