Auf jeden Schulabgänger kommen zwei Ausbildungsstellen. Die Suche nach Nachwuchs wird für die Betriebe künftig noch härter.

Norderstedt. Jugendliche, die in Norderstedt die Schule verlassen, haben es gut - rein statistisch gesehen jedenfalls: Auf jeden Schulabgänger kommen zwei Ausbildungsstellen. Das geht aus dem Ausbildungsmarktreport der Agentur für Arbeit Elmshorn hervor. Im übrigen Kreis Segeberg sieht es nicht ganz so gut aus. Die angebotenen Ausbildungsplätze reichen nicht für jeden Jugendlichen. Trotzdem wird sich die Tendenz nach Einschätzung der Arbeitsagentur in den kommenden Jahren verstärken: Immer weniger junge Leute streben auf den Arbeitsmarkt, die Firmen werden händeringend nach Auszubildenden suchen.

Aus der Jahresbilanz 2011/2012 geht hervor, dass sowohl die Zahl der gemeldeten Bewerber wie auch die Zahl der offenen Ausbildungsstellen zwischen Oktober 2011 und September 2012 um 3,8 Prozent gestiegen ist. "Die hohe Ausbildungsleistung konnte trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten um die Euro-Krise gehalten, teilweise sogar gesteigert werden", sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Agentur für Arbeit in Elmshorn.

Die Arbeitsagentur ist seit Anfang Oktober auch für den gesamten Kreis Segeberg zuständig. Bis dahin war die Arbeitsagentur Neumünster für den "Restkreis" Segeberg, die Agentur Elmshorn für Norderstedt tätig.

Die Ausbildungsbetriebe im Kreis Segeberg haben im Berichtszeitraum mit 1734 Ausbildungsstellen deutlich mehr Ausbildungsangebote als im Jahr zuvor gemeldet. Diese Zahl deckt sich exakt mit der Zahl der Schulabgänger, die sich um einen Ausbildungsplatz beworben haben.

Die überwiegende Zahl der Jugendlichen, die sich als Bewerber bei der Berufsberatung meldeten, hatte einen Realschul- (48,1 Prozent) oder einen Hauptschulabschluss (33,4 Prozent). Einen Fachhochschulabschluss oder Abitur besaßen 15 Prozent der Ausbildungssuchenden. Unter allen Bewerbern überwogen die männlichen Jugendlichen mit 54,7 Prozent. Nach den Feststellungen der Berufsberatung streben mehr junge Frauen eine weitere schulische Ausbildung oder ein Studium an.

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich zugunsten der jungen Leute entwickelt, aber nicht immer passen Berufswünsche und Qualifikationsprofil der jungen Bewerber mit den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe zusammen. Die Klagen sind nicht neu: Teilweise mangele es an Berufsreife. Aber dieses Kriterium muss nach Einschätzung von Gerold Melson, dem Sprecher der Agentur für Arbeit, nicht für alle Ewigkeit gelten. "Tatsächlich müssen viele Betriebe ihre Anforderungen künftig wahrscheinlich zurückschrauben, um überhaupt noch Nachwuchskräfte zu bekommen." Er empfiehlt den Personalchefs, nicht immer nur auf die schulischen Fähigkeiten zu blicken, sondern auch andere Vorzüge der Bewerber ins rechte Licht zu rücken. Soziale Kompetenz zum Beispiel.

Zum Ende des Ausbildungsjahres gab es noch 104 unversorgte Ausbildungsbewerber, 60 davon aus dem Kreis Segeberg. Besonders gesucht werden noch passende Ausbildungsplätze im Einzelhandel und im kaufmännischen Bereich. Den Bewerbern im Kreis Segeberg standen Ende September noch 101 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Vor allem dem Lebensmitteleinzelhandel, der Gastronomie und vielen kleineren und mittleren Handwerksbetrieben fällt es schwerer, geeignete Auszubildende zu finden.

Für Agentur-Sprecher Melson wird sich diese Tendenz in den nächsten Jahren deutlich verstärken. Der demografische Faktor wird seiner Ansicht nach auch auf dem Ausbildungssektor durchschlagen: Immer weniger Schüler verlassen die Schulen, die Arbeitnehmerschaft wird älter und älter, um jüngere Fachkräfte wird gerungen. Sie können sich die lukrativsten und angenehmsten Arbeitsplätze aussuchen. Ein weiterer Faktor entfällt: "Früher drängten die jungen Leute aus Mecklenburg-Vorpommern auf den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein und Hamburg", sagt Gerald Melson, "aber auch diese Bewerber bleiben mehr und mehr aus." Für Betriebe, die nicht rechtzeitig daran gedacht haben, Nachwuchskräfte anzuheuern, prophezeit er eine harte Zeit. "Die Konkurrenz der Betriebe um den Nachwuchs wächst."

In Nachvermittlungs-Aktionen versuchen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammer und Berufsberatung seit Anfang September, doch noch möglichst vielen Jugendlichen eine Ausbildungsperspektive zu vermitteln. Wie in den Vorjahren können viele bislang unvermittelte Bewerber an betrieblichen Einstiegsqualifizierungen teilnehmen. Diese Langzeitpraktika bei Ausbildungsbetrieben haben sich als Brückenschlag zum angestrebten Ausbildungsplatz bewährt. Fast 70 Prozent der Jugendlichen wechselten nach einer Einstiegsqualifizierung in eine betriebliche Ausbildung oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Die Agentur für Arbeit in Elmshorn bietet daneben eine Vielzahl von Alternativen zum direkten Ausbildungseinstieg an.