Vom Apfeltäubling bis zum Zunderschwamm: Wenn Monika Weber, 67, durch den Tangstedter Forst geht, den Kopf immer gesenkt, die Augen auf den Waldboden links und rechts des Pfades gerichtet, dann entgeht ihr kein Pilz

Pilze. Sie sind vielfach schwer verdaulich und mit Schwermetallen belastet. Und nicht wenige von ihnen können einen gesunden Erwachsenen in kürzester Zeit ins Grab bringen, selbst wenn dieser sie nur in homöopathischen Dosen genossen hat. Aber Pilze sind auch wunderschön, ästhetisch, haben unheimlich viel Geschmack. Die Suche nach den mannigfachen Erscheinungsformen der Fruchtkörper unterirdischer Myzele im Unterholz der Wälder bringt den verschüttet geglaubten Jäger-und-Sammler-Instinkt in uns zum Vorschein.

Am Rand des Stumpfes wachsen Pilze mit gelben Hüten und langen Füßen

"Oh, ha ha! Ein Grünspan-Treuschling!" Monika Weber, 67, Pilzexpertin aus Kaltenkirchen, schlägt sich abseits des kleinen Trampelpfades im Tangstedter Forst über den moosbedeckten Waldboden, der so federt, als ob er Sprungfedern hat. Auf einem überwucherten, durchnässten Baumstumpf prangt der kleine grüne Pilz. Seine vollkommene Form wird nur auf der Rückseite von einer kleinen Kerbe gestört. "Da war die Schnecke schon dran." Monika Weber hat zwar das Klappmesser schon in der Hand, sie will den kleinen grünen Treuschling aber nicht von seinem Sockel schneiden. "Schmecken tut er nicht. Er sieht nur sehr nett aus. Ich freue mich einfach, wenn ich ihn entdecke."

Am Rand des Stumpfes wachsen Pilze mit gelben Hüten und langen Füßen. "Rauchblättrige Schwefelköpfe", sagt Weber. "Nicht zu verwechseln mit den gelb-grün gefärbten Schwefelköpfen. Sehen genauso aus, sind aber giftig." Aus den rauchblättrigen Verwandten hingegen lässt sich ein schmackhaftes Süppchen kochen.

Monika Weber hat sich im Internet ihr Grundwissen über Pilze angelesen

Bei Monika Weber fing das mit den Pilzen vor etwa zehn Jahren an. In Österreich. "Die Menschen gingen in den Wald und fanden Pfifferlinge. Das wollte ich auch." Die Verwaltungsangestellte las sich über das Internet ein Grundwissen über die Pilzsuche an und war bald gut informiert über die gängigsten Arten. "Das war mir dann aber schnell nicht mehr genug", sagt Monika Weber. Sie besorgte sich Fachliteratur, und vor allem besuchte sie Lehrwanderungen mit Pilzexperten. "Ich fuhr mehrere Hundert Kilometer bis in den Harz, in die Lüneburger Heide und sonst wohin, nur für die Lehrwanderungen."

Jetzt ist sie selbst eine versierte Pilzexpertin, die ihr Wissen immer noch in Schulungen erweitert und auffrischt. Wenn sie durch den Tangstedter Forst geht, den Kopf immer gesenkt, die Augen auf den Waldboden links und rechts des Pfades gerichtet, dann entgeht ihr kein Pilz. Wer sich nur eine Stunde mit Monika Weber auf einen Waldspaziergang begibt, lernt viel über die Pilze und erkennt, wie wenig man eigentlich von dieser ganz eigenen Spezies weiß, die weder mit den Pflanzen noch mit den Tieren verwandt ist und ein ganz eigenes, farben- und formenreiches Dasein pflegt.

Der größte Pilz der Welt erstreckt sich über unfassbare 880 Hektar

Zunächst lehrt einen Monika Weber, dass das, was wir da zwischen den Grashalmen, auf Baumstümpfen oder am Totholz sehen, nur die Fruchtkörper der Pilze sind. "Das Myzel ist im Boden. Durchdringt teilweise große Flächen und abgestorbene oder kranke Bäume aus dem Boden heraus." Das ist fast ein wenig gruselig. Besonders wenn man dann erfährt, dass im nordamerikanischen Bundesstaat Oregon mit dem Hallimasch der größte bekannte Pilz der Welt entdeckt wurde. Sein Myzel erstreckt sich über unfassbare 880 Hektar Land. Die kleinen Hütchenträger im Moos sind also nur die hübschen Enden eines teilweise riesigen Netzwerkes unter der Erde. "Die Pilze machen den Humus im Boden. Wären die Pilze nicht da, wäre der Wald haushoch mit Blättern und Ästen angefüllt", sagt Monika Weber. Es gibt drei Arten: Der Zersetzer-Pilz am Totholz, den Schmarotzer, der Pflanzen tötet, und den in Symbiose mit vielen Pflanzen lebenden Pilz. Monika Weber: "Der Pilz liefert dem Baum Mineralien, der Baum gibt dem Pilz dafür Traubenzucker zurück."

In Schleswig-Holstein wachsen etwa 5000 unterschiedliche Pilze

Wenn sich die 67-Jährige mit den Pilz-Laien auf Wanderung durch den Tangstedter Forst oder die Wälder rund um Kaltenkirchen begibt, dann beschränkt sie das Vermitteln der Grundlagen auf ein Minimum. "Es gibt Führer, die jeden Pilz im Wald mit lateinischem Namen benennen und alle Details erklären. Das überfordert die meisten Leute", sagt Weber. Sie wollen in den Wald gehen und Pilze finden, die sie essen können, Naturerlebnis und Sammelinstinkt kombinieren und keine Vorlesung über Pilzkunde. "Deswegen halte ich meine Führungen einfach." Der Teilnehmer soll die gängigsten Pilze erkennen können. Und alles, was nicht zweifelsfrei zu identifizieren ist oder einfach eklig schmeckt, bleibt außen vor bei Monika Weber.

Sie lehrt den Menschen, wie sie wohlschmeckende Maronen finden, den Steinpilz, Rotfußröhrlinge oder Täublinge. "Es gibt etwa 6000 Arten von Pilzen in Europa, in Schleswig-Holstein kommen 5000 davon vor. Da verliert man schnell den Überblick", sagt Weber. Sie selbst hat immer ein Pilz-Erkennungsbuch dabei, um in strittigen Fällen richtig zu liegen. "Es gibt Pilze, die tun so, als seien sie essbar. Sie sehen gut schmeckenden Pilzen zum Verwechseln ähnlich. Die nenne ich die fiesen Socken."

Auf dem Weg zurück zum Auto liegt das Mittagessen von Monika Weber. Malerisch steht eine Gruppe orangeroter Fichten-Reizger im Moos neben einem Baum. "Ich wollte die schon immer mal als eigenständiges Gericht probieren. Bisher habe ich sie nur untergemengt, da kommt der Geschmack nicht so raus. Die mache ich mir heute in der Pfanne", sagt sie und zückt das Klappmesser."

Monika Weber bietet zweistündige Pilzlehrwanderungen in kleinen Gruppen bis maximal 15 Leute an. Der nächste Termin ist am Sonnabend, 27. Oktober, von 10 Uhr an in Kaltenkirchen. Die Teilnahme kostet 6,50 Euro pro Person. Anmeldung und weitere Infos unter Telefon 04191/95 61 79 oder unter www.rausindienatur-weber-holstein.de.tl .