Die Pläne für einen Großflughafen lehnt der CDU-Landeschef Christian von Boetticher im Interview mit dem Abendblatt dagegen ab.

Norderstedt/Kiel. Zehn Monate vor der Landtagswahl im Mai 2012 geht der CDU-Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Christian von Boetticher, 40, auf Wahlkampftour. Bis zum 16. Juli will er alle Kreise und kreisfreien Städte besucht haben. Von Boetticher will seinen Bekanntheitsgrad steigern. Bei einer Umfrage im Mai lag sein SPD-Kontrahent Torsten Albig in der Wählergunst vorn.

Hamburger Abendblatt: Herr von Boetticher, haben Sie schon ein Spiel der Frauen-Fußballweltmeisterschaft gesehen?

Christian von Boetticher: Ich habe einen Teil des Auftaktspiels sehen können. Ich gucke mir das gern an. Als Fußballspieler, der ich selber war, sage ich allerdings auch: Es ist eine Runde langsamer. Ich würde mir jetzt keine Karte für ein Spiel kaufen.

Der nächste wichtige Termin nach der Frauen-WM ist die Landtagswahl im Mai 2012. Wie schätzen Sie die politische Lage der CDU Schleswig-Holstein zehn Monate vor der Wahl ein?

Boetticher: Wir haben zusammen mit der FDP einiges vorangebracht, man denke nur an die wirklich historische Leistung des Sparpakets. Ich glaube, das führt dazu, dass wir anders wahrgenommen werden als die politische Großwetterlage in Berlin. Die CDU/FDP-Koalition in Schleswig-Holstein war geräuschloser in der Außenwirkung, aber sehr effizient in der Innenwirkung. Trotzdem ist die Situation schwierig. Die Umfragen zeigen, dass wir weit von einer Mehrheit für Schwarz-Gelb entfernt sind.

Wird es nach der Landtagswahl noch eine Chance für eine erneute CDU/FDP-Koalition geben?

Boetticher: Koalitionen bildet man, wenn die Wahlergebnisse feststehen. Wir kämpfen für eine starke Union.

Wie viel Prozent erhoffen Sie sich denn?

Boetticher: Unsere Zielmarke ist es, an die 40 Prozent heranzukommen.

Bei G 8/G 9, dem Abitur nach acht oder nach neun Jahren, hat sich die Landesregierung nicht mit Ruhm bekleckert. Viele Bürger klagen über einen Reformwirrwarr.

Boetticher: Ja. G 8/G 9 war ein klassischer Kompromiss. Es ist ja nicht unbekannt, dass die CDU am liebsten bei G 8 geblieben wäre. Die FDP kam aus einem Wahlkampf, in dem sie sich sehr stark für die Rückkehr zu G 9 eingesetzt hat. Viele Eltern waren für G 9. Deshalb haben wir das System verbessert. Wir haben die Profiloberstufe verändert, wir haben dafür gesorgt, dass der Nachmittagsunterricht verringert wird. Unser Motto war: G 8 vernünftig machen. Wenn wir das gleich richtig gemacht hätten, dann hätte wir den Konflikt mit den Eltern nie gehabt.

Sie wollen im Wahlkampf auch mit dem Thema Jugendkriminalität punkten. Unlängst haben Sie sogar geschlossene Heime für solche Intensivtäter gefordert.

Boetticher: Unser Konzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität besteht aus zehn Bausteinen. Das fängt damit an, dass man bei der Schulsozialarbeit die Brennpunkte im Blick hat, und endet bei der Frage, ob wir bei den Gerichten alles richtig machen. Heute werden selbst die meisten 21-Jährigen noch nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Das war nicht die Intention des Gesetzgebers. Da bräuchten wir eine Nachbesserung im Jugendgerichtsgesetz. Mit den geschlossenen Heimen wollen wir die Lücke zwischen offener Unterbringung und dem Jugendarrest schließen. Das müssen geschlossene Einrichtungen mit einem pädagogischen Konzept sein. Die Union hat in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine Wegschieb-Debatte geführt. Da wollen wir nicht wieder hin, das ist völlig unmodern.

Das Land könnte ja zumindest dafür sorgen, dass es in Schleswig-Holstein einheitliche Kriterien gibt.

Boetticher: Daran arbeitet der Innenminister zurzeit.

Aber Menschen, die intensiv Straftaten begehen, gibt es schon seit vielen Jahren.

Boetticher: Wir haben zunächst versucht, auf Bundesebene eine Lösung zu finden. Das ist nicht gelungen. Nun gehen wir einen eigenen Weg. Aber eines ist doch klar: Die Zahl der Intensivtäter ist gestiegen. Das Problem ist größer geworden, und es ist auch ein Problem bestimmter gesellschaftlicher Schichten.

Sind die Pläne, in Kaltenkirchen einen Flughafen zu bauen, noch realistisch?

Boetticher: Nein. Der Flughafen, den man vor 30 Jahren mal konzipiert hat, ist obsolet. Heute haben wir ein Großdrehkreuz in Kopenhagen. Das wird aus Schleswig-Holstein sehr viel schneller erreicht werden, wenn die Fehmarnbeltquerung fertig ist. Dennoch ist der Flughafen Hamburg irgendwann dicht. Man könnte als Entlastung für Hamburg einen kleineren Flughafen in Kaltenkirchen bauen. Man könnte auch den Luftfrachtbereich verlagern - zum Beispiel nach Lübeck oder Jagel.

Gibt es beim Ausbau der Metropolregion Defizite in der Zusammenarbeit mit Hamburg?

Boetticher: Ich habe darüber mit dem neuen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz schon verschiedentlich sprechen können. Es waren gute Gespräche. Ich habe Verständnis dafür, dass er sich in seinen ersten 100 Tagen um rein Hamburger Probleme kümmern wollte. Aber richtig ist, dass beide Bundesländer nur gemeinsam eine vernünftige Perspektive haben. Hamburg ist auf dem Weltmarkt eine Marke. Aber Hamburg hat kaum noch Platz für Gewerbeflächen und für Wohnungen. Die Themen, an denen wir arbeiten wollen, sind die gemeinsame Wirtschaftsförderung und die gemeinsame Landesplanung.

Wie stehen Sie zu Kreisfusionen?

Boetticher: Wir brauchen Rahmenbedingungen für freiwillige Fusionen. Aber viel wichtiger ist, dass wir bei den IT-Strukturen zu Vereinheitlichungen kommen. Da gibt es derzeit einen Flickenteppich. Außerdem müssen wir darüber reden, welche Aufgaben wirklich noch in der kleinen Verwaltung vor Ort erledigt und welche in einer Zentrale betreut werden können.

Ist es in Ordnung, die Eltern an den Kosten des Schulbustickets zu beteiligen?

Boetticher: Wir als Land können es uns nicht leisten, Schulden zu machen, um das Schulbusticket zu finanzieren. Eine einkommensunabhängige Förderung, wie wir es da gemacht haben, ist wirklich irrsinnig. Wenn wir aber entscheiden, da auszusteigen, dann müssen wir auch den Mumm haben, den Ärger auf uns zu ziehen. Deswegen war es richtig, es den Kreisen nicht freizustellen, ob sie eine Elternbeteiligung einführen oder ob sie es lassen.

Erläutern Sie uns bitte in drei Punkten, warum Sie der bessere Regierungschef als Ihr SPD-Kontrahent Torsten Albig wären.

Boetticher: Weil ich zusammen mit der CDU den Rücken gerade mache, wenn es um den Sparkurs geht. Auch wenn uns diese Gradlinigkeit Ärger einbringt. Weil wir ins Bildungssystem Ruhe bringen wollen. Wir wollen den anderen Parteien ein Angebot für einen Schulfrieden machen. Weil wir der mittelständischen Wirtschaft helfen wollen.

Herr von Boetticher, wir danken Ihnen für das Gespräch.