Der Kaltenkirchener Nils Sahnwaldt organisiert den Rettungsdienst für das größte Heavy-Metal-Festival der Welt

Kaltenkirchen/Wacken. Das 21. Wacken Open Air ist in vollem Gange. Bereits vor ein paar Tagen sind finster aussehende, aber gut gelaunte Horden aus aller Herren Länder angekommen. Das in rabenschwarz getauchte 1800-Seelen-Nest Wacken im Kreis Steinburg zieht alljährlich Metal-Fans von allen fünf Kontinenten an. 75 000!

Gestern erlebten sie Schockrock-Opa Alice Cooper, der sein "School's out" über die Äcker und Wiesen krächzte, waren dabei, als die eisernen Jungfrauen von Iron Maiden ihre Gitarrenriffs von der True Metal Stage in die Massen jaulten und gießen sich noch bis Sonntag ordentlich einen auf die langhaarige "Lampe". Mittendrin: Nils Sahnwaldt aus Kaltenkirchen.

Ordentliche Frisur, Klassikrock-Liebhaber in Jeans und Poloshirt. 260 Tage im Jahr ist er Wachleiter der DRK-Rettungswache in Kaltenkirchen. Aber jetzt ist er "Doc Wacken". Sahnwaldt ist der Rot-Kreuz-Mann, der den Sanitätsdienst für das Festival organisiert. Für ihn ist es bereits die sechste Wacken-Saison. Er gehört mit seiner Mannschaft zur "Wacken-Rescue-Squad" - die einzige Clique unter Tausenden, die weiße Shirts trägt, damit sie nicht zu übersehen ist.

Bei seinem DRK-Ortsverband in Kaltenkirchen laufen alljährlich die Fäden für den Wacken-Sanitätsdienst zusammen. 11 000 Einsatzstunden wollen besetzt, 400 Helfer von den verschiedensten Hilfsorganisationen, darunter 20 Notärzte, eingeteilt werden.

Seit Monaten sind die Konzerttickets für das Festival ausverkauft. Beinahe genau so schnell, binnen weniger Wochen, hat Sahnwaldt seine Freiwilligen aus ganz Deutschland zusammen. In drei Schichten mit bis zu 160 Leuten werden die Sanitäter Platzwunden nähen, Zerrungen vom Headbanging, Rückenprellungen vom Crowdsurfen, Schnittverletzungen vom Öffnen der traditionellen Raviolidosen, angesengte Finger vom Campingkocher versorgen. "Es ist tierisch anstrengend, und hinterher sagst du: nie wieder. Aber dann kannst du nicht anders, willst wieder dabei sein", sagt Rettungssanitäterin Wiebke Berneik, die wie Sahnwaldt aus Kaltenkirchen kommt. Ihr Mann und ihr Sohn gehören, wie gut 30 andere Helfer aus dem Kreis Segeberg, ebenfalls zur Sani-Mannschaft.

"2961 behandelte Metal-Fans haben wir 2009 registriert, dazu kommen noch mal so 20 Prozent, in denen Helfer mal nach dem Rechten schauten, oder ein paar Tipps gaben", sagt der 39-Jährige - das sei keine außergewöhnlich hohe Zahl. Seit dem 27. Juli ist Sahnwaldt vor Ort: 300 Quadratmeter Behandlungsfläche stehen am Festivalgelände bereit. 36 Feldbetten, zehn Krankenwagen, sieben Quads und zehn andere Fahrzeuge im Rettungsdienst stehen bereit. Dazu gibt es eine weitere Sanitätsstation direkt neben einer der Hauptbühnen.

Die Fans sehen wild aus, doch seit Jahren lobt die Polizei das friedfertige Völkchen. Omas aus der Gemeinde backen Plätzchen, Rentner formen mit arthrosesteifen Fingern einen stilisierten Rinderschädel zum Metal-Gruß, Dorfkinder verdienen sich mit Bier-Shuttle-Service zwischen Edeka und der Metal-Zeltstadt am Dorfrand ordentlich Taschengeld dazu. Auch Sahnwaldt lobt die Metal-Gemeinde: "Wenn wir anrücken, wird sofort der Weg frei gemacht. Die wissen, dass es, wenn wir kommen, um einen von ihnen geht, der Probleme hat." Aber es gebe auch Sachen, die erlebe man nur auf dem Wacken Open Air, plaudert der Chef-Sani aus dem Nähkästchen. Etwa vom Hardrocker, der sich als einziges Kleidungsstück einen Slip aus schwarzem Klebeband auf den Körper getapt hatte. So richtig Erleichterung konnten ihm da nur die Sanitäter verschaffen, indem sie ihn aus seinem klebrigen Schlüpfer befreiten.

Und auch der junge Mann, dem Freunde im "Brand" ein leeres Fünf-Liter-Alubierfass mit Sekundenkleber auf die Stirn geleimt hatten. Nils Sahnwaldt grinst: "Auch dem Patienten konnte geholfen werden ."