Am Donnerstag feiern die Kramers sich ausnahmsweise selbst: Seit 100 Jahren ist der Gasthof an der Dorfstraße dann in Familienbesitz.

Ellerau. Ellerau steht vor einem großes Jubiläum: "Kramer's Gasthof", der älteste Gewerbebetrieb der Gemeinde, wird 100 Jahre alt. In diesen einhundert Jahren hat sich das Lokal von einer bäuerlichen Gaststätte zu einem Haus für Familienfeiern und Empfänge entwickelt.

"Mit dem Umbau unserer Eingangsfront haben wir einen wahren Boom von Hochzeitsfeiern ausgelöst", freut sich Jürgen Kramer, 46, der mit viel Fingerspitzengefühl genau das erkannt und umgesetzt hat, was schon drei Generationen der Familie Kramer in Ellerau zuvor als notwendig erachtet haben: sich kontinuierlich der Zeit anzupassen.

Das Konzept ist aufgegangen: Am 1. März dieses Jahres ist "Kramer's Gasthof" 100 Jahre im Familienbesitz - immer vererbt vom Vater auf den Sohn. Und der Name Kramer bleibt auch nach der "Geburtstagsfeier" erhalten, denn mit dem Sohn von Jürgen Kramer und seiner Lebensgefährtin Heike Hinsch, Joschka Focko, 4, wächst die fünfte Kramergeneration heran.

Focko und Hebke-Metha Kramer übernahmen 1912 den "Lindenhof"

Es waren Focko und Hebke-Metha Kramer, die 1912 ihren Hof in Nortmoor (Ostfriesland) aufgeben mussten und in Ellerau an der Dorfstraße den 1796 erstmals erwähnten landwirtschaftlichen Betrieb mit der Gaststätte "Lindenhof" übernahmen. Die Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht waren der Schwerpunkt, die Gaststätte wurde zunächst nur nebenher betrieben.

Zwischen 1914 und 1918 wurde das Haus von polnischen Arbeiterinnen und Arbeitern der vier Pulverfabriken aus der Quickborner Heide stark frequentiert. Damals wie heute war das Gasthaus dörflicher Mittelpunkt von Ellerau. Hier trafen sich Gesang-, Konzert- und Kriegervereine, später kamen die Feuerwehr und Sportvereine hinzu. Heute fühlen sich Vereine aus ganz Schleswig-Holstein hier wohl.

Nach dem Krieg gab es dreimal in der Woche Tanz, Varieté und Maskerade

Im Jahr 1941 ist mit Hinrich Uden und Erna Kramer die nächste Generation hineingewachsen. Geradezu dramatisch wurde es im Gasthaus, als nach den Hamburger Bombennächten 1943 die Menschen aufs Land flohen und weit mehr als hundert Frauen, Kinder und wenige Männer in "Kramer's Gasthof" Unterschlupf fanden.

1945 wurde der Saal des Gasthofes dann zum Auffanglager für Flüchtlinge, die, nur von Wolldecken getrennt, ihr Schicksal ertragen mussten. Erst 1947 wurde aus dem "Lindenhof" dann ganz offiziell "Kramer's Gasthof". Gerade in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war "Highlife" angesagt: Dreimal in der Woche Tanz, Varieté, Maskerade - das Volk wollte den unseligen Krieg vergessen und suchte Zerstreuung und Abwechslung. Die Veranstaltungen begannen nachmittags, denn um 22 Uhr war Sperrstunde. "Sogar der Stummfilmstar Asta Nielsen hat bei uns das Bett mit einem Mann geteilt", erinnert sich Hilda Peplinski (geborene Kramer). Nachts schlief die Nielsen nach Auftritten in Hamburg in dem Bett, das tagsüber ein Mann nutzte, der nachts in einer Quickborner Munitionsfabrik arbeitete.

Ein weiterer Schritt der Modernisierung vollzog sich 1971 mit Focko Kramer, der von seinem Vater Hinrich den Betrieb übernahm, zunächst noch Schweine- und Bullenmast betrieb, dann aber die Räumlichkeiten der Zeit anpasste. Im Jahr 1989 richtete er Hotelzimmer ein, und er baute zwei Doppelbohlen-Kegelbahnen (1971), worüber sich seitdem Kegler aus Ellerau und der Umgebung freuen. Norderstedter Kegler kommen mittlerweile schon seit mehr als 30 Jahren, um bei Kramers ihrem Sport nachzugehen.

Und es war nicht zuletzt Fockos Ehefrau Ruth, die mit bodenständigen Gerichten wie Rundstück warm, kernigen Schinken- und Mettwurstbroten und allen denkbaren Bratkartoffelgerichten die Gaumen der Gäste erfreute; aber auch für Feierlichkeiten alles möglich machte, um die Gäste zufriedenzustellen. 1964 hatten sich Focko Kramer und Ruth Geist das Jawort gegeben. Noch im selben wurde Sohn Klaus geboren (er hat heute einen Betrieb für Gartenmaschinen), 1965 erblickte Sohn Jürgen Focko das Licht der Welt.

Wer bei Kramers feiern will, der sollte frühzeitig einen Termin vereinbaren

Seit dem Jahr 2000 steht der Name Jürgen Focko Kramer, 46, in vierter Generation über Restaurant und einer gepflegten Norddeutschen Küche. Im Kurhotel Gutsmann in Bad Bramstedt wurde Jürgen zum Restaurantfachmann und Koch ausgebildet. Sein Konzept für die Zukunft den Unternehmens beschreibt Jürgen Kramer so: "Mit Liebe und Fingerspitzengefühl die Wünsche der Gäste erfüllen - und das zu fairen Preisen."

Das Kramersche Credo hat sich herumgesprochen. Nicht anders ist es zu erklären, dass in dem großen Saal und in drei kleinen Sälen Hochzeiten, Geburtstage, Taufen und Konfirmationen, Betriebsfeiern und Vertreterversammlungen von Banken den Terminkalender füllen. Schon seit dem vergangenen Jahr sind für Juli und August in diesem Jahr sämtliche Wochenendtermine mit Feiern belegt.

Mit der Übernahme hat Jürgen Kramer auch die Küche modernisiert, zwei Außenterrassen angelegt, den Empfangsbereich ebenso erneuert wie die Klubräume. Und es bestehen Pläne, in diesem Jahr das Hotel zu erweitern. Es sind hauptsächlich Handwerker und Vertreter, die das Hotel frequentieren und während der Hauptreisezeit auch Menschen aus aller Herren Länder, die von der Autobahn kommen. "Günstige, solide Preise, vernünftiges Frühstück und Essen tragen dazu bei, dass unsere Hotelzimmer gut ausgebucht sind", betont Ruth Kramer.

"Kramer's Gasthof" ist trotz des ständigen Wandels immer das geblieben, was einen guten Dorfkrug ausmacht: Treffpunkt für ländliche Gemütlichkeit, mit persönlichem Kontakt zu den Gästen. Hundert Jahre Familie Kramer auf einem mehr als 200 Jahre alten Gehöft (laut Ellerauer Chronik), aber von alten Zeiten ist nichts mehr zu spüren: Die Küche und ihre Produkte sind topfrisch und auf der Höhe der heutigen Ansprüche. Genuss und Frische auf leichte Art zubereitet, historische Rezepte mit heutigen Zutaten umgesetzt. "Unsere Grundprodukte stammen - soweit möglich - aus der Region, von Erzeugern, die sich ihrer Verantwortung hinsichtlich der Qualität bewusst sind", sagt Jürgen Kramer. Ein Renner in der Gastronomie sind übrigens die Fleischplatten mit Wild- oder Kalbsfilet, Schweine- und Rindfleisch, Gemüsearrangements. Aber das Schinkenbrot, die Currywurst oder Roastbeef mit Bratkartoffeln kann der Gast ebenso genießen.

Und wie sieht der Blick in die Zukunft aus? Jürgen Kramer: "Wir sind und bleiben solide, Höhenflüge finden bei uns nicht statt, wir sind von ganzem Herzen Gastgeber: Das sind und bleiben unsere Kriterien für die Zukunft!"

Gefeiert wird das Ereignis mit einem großen Empfang am Donnerstag, 1. März, ab 16 Uhr. Focko Kramer wird an diesem Tag übrigens 73 Jahre alt!