Der fraktionslose Stadtvertreter Jens Kahlsdorf wirft dem BDS-Chef Helmut Münster zu engen Kontakt zu seinen Hühnern vor. Stadtpräsidentin mahnt zur Besonnenheit.

NZ-Redakteur Michael Schick schrieb am 28. Oktober 2005:

Jens Kahlsdorf (45) sorgt sich um die Gesundheit der Norderstedter Kommunalpolitiker. Sie könnten die Vogelgrippe bekommen, denn: CDU-Stadtvertreter Helmut Münster (67) hat Hühner. Und die laufen, so hat Kahlsdorf beobachtet, auch durchs Wohnzimmer. "Es existiert ein enger Kontakt zwischen Tier und Hühnerhalter", sagt Kahlsdorf, der Stadtpräsidentin Charlotte Paschen eingeschaltet hat: Sie soll die körperliche Unversehrtheit der ehrenamtlichen Politiker gewährleisten.

Münster weist die Anschuldigung zurück: "Hühner sind Draußentiere. Sie wollen scharren und rumlaufen. Und als sie noch frei durch den Garten stolziert sind, standen sie auch mal vor der offenen Terrassentür. Aber da haben wir sie sofort zurückgescheucht. Und im Wohnzimmer waren sie nie." Außerdem halte er sich an die seit Sonnabend gültige Auflage, das Federvieh einzusperren. Die neun Hühner und Popeye, der stolze, weiß-schwarze Hahn, fristen ihr Dasein im Stall. Der hat ein Dach, Stülpschalung und Thermopane-Scheiben, die Vogelgrippe habe keine Chance gegen das Bollwerk. Der Verzicht auf die gewohnte Freiheit gefalle den Tieren zwar nicht, aber die Gesundheit habe nun mal Vorrang. Münster baut die Außenterrasse gerade zum überdachten Freilaufgelände um, damit Hahn und Hühner wieder Auslauf haben.

Der Elektromeister im Ruhestand hat keine Angst vor Ansteckung: "Die Tiere sind kerngesund und geimpft. Eine Tierärztin kontrolliert den Gesundheitszustand regelmäßig." Im Übrigen solle Kahlsdorf sich mit seiner vermeintlichen Sorge um die Gesundheit mal schön zurückhalten. "Der raucht so viel, dass er den Menschen mehr schadet, als es die Hühner je tun könnten", sagt Münster, der zugleich Vorsitzender im "Bund der Selbständigen" (BDS) Norderstedt ist und den Antrieb für die ungewöhnliche Anfrage des Stadtvertreters ganz woanders sieht: Der BDS-Vorstand habe dem Norderstedter Medienunternehmer die Flügel gestutzt. Als Vorsitzender des von ihm gegründeten BDS-Arbeitskreises "Marketing" habe Kahlsdorf immer wieder eigenmächtig Pressemitteilungen im Namen des Verbandes herausgegeben und im Internet publiziert, die mit dem BDS nicht abgestimmt waren. Vor 14 Tagen hat der Vorstand den Arbeitskreis aufgelöst, Kahlsdorf die von ihm praktizierte Öffentlichkeitsarbeit untersagt.

"Ich bin menschlich zutiefst enttäuscht", sagt Münster. Er habe immer wieder versucht, Kahlsdorf in die Arbeit einzubinden, doch offensichtlich habe er einen krankhaften Hang zur Selbstdarstellung. Und da fehle ihm nun das Forum, da er die CDU auf eigenen Wunsch verlassen hatte. Er hatte seiner ehemaligen Partei einen Mangel an "Diskussionskultur" vorgeworfen. Außerdem habe er den Eindruck, dass die "CDU die SPD in Norderstedt links überholt". Schon vor zwei Jahren war Kahlsdorf mit den Christdemokraten aneinandergeraten. Nachdem er in der Diskussion um die Umwandlung der Stadtwerke in eine GmbH in einem Internet-Forum die Vokabeln "Ermächtigungsgesetz" und "Reichskristallnacht" benutzt hatte, hatte ihm die CDU den Parteiaustritt nahe gelegt und ihm Demokratiefeindlichkeit vorgeworfen. Der 45-Jährige wurde aus sämtlichen Fachausschüssen abberufen und galt seither als isoliert. Als fraktionsloser Stadtvertreter sitzt er jetzt auch allein.

Und was sagt die Stadtpräsidentin zu den Streithähnen? "Es ist nicht die Aufgabe einer Stadtpräsidentin, sich um die Gesundheit der Stadtvertreter zu kümmern."