Redakteur Frank Knittermeier schrieb am 29. August 1995 in der Norderstedter Zeitung.

Das Krächzen ist unüberhörbar: Ingrid Steeger hat sich eine Erkältung aufgesackt: Halsschmerzen, Kopfweh, leichtes Fieber. Der abrupte Wechsel von heiß zu kalt und feucht macht den Karl-May-Darstellern zu schaffen: "Bei der Hitze war das Spielen angenehmer", sagt die Schauspielerin, die von der Intendantin der Spiele als Zugpferd engagiert worden war. "Nachmittags war es oft sehr heiß, aber abends hatte es sich meist angenehm abgekühlt."

Ingrid Steeger ist natürlich Profi - ohne zu murren steht sie auch noch die letzten beiden Vorstellungen durch. Wie ein Häufchen Elend sitzt sie noch 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung von "Winnetou I" in der Kantine des Garderobenhauses hinter dem Kalkberg - ungeschminkt, ohne Kostüm. In Windeseile macht sie sich fertig und steht genau im richtigen Moment hinter den Kulissen.

Die gut 6000 Zuschauer im Kalkbergstadion merken nichts von der Indisposition der Darstellerin: Sie agiert munter wie eh und je, läuft, springt, kämpft und singt und verdreht Old Shatterhand (Joshy Peters) den Kopf. Auch die Stimme klingt jetzt wieder normal. Ein bisschen rau vielleicht, aber im Großen und Ganzen ganz passabel. "Zwei Vorstellungen am Tag: Das schlaucht schon ganz schön" sagt die Münchenerin. "Man wurde hier in Bad Segeberg ganz schön beansprucht." Schon 1992 hatten die Verantwortlichen der Spiele ihre Fühler nach Ingrid Steeger ausgestreckt. Damals klappte es nicht, weil sie andere Verpflichtungen hatte. In diesem Jahr hat es geklappt, und darüber ist die populäre Schauspielerin auch recht froh: "Trotz aller Strapazen: Es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht."

Sie musste viel leisten - obwohl die Rolle eher klein war - und wurde dafür auch gut bezahlt: Vier Wochen Probezeit, neun Wochen Aufführungen. Montags, dienstags und mittwochs waren zwar spielfrei, aber auch an diesen Tagen war sie zumeist eingespannt. Denn im Vertrag war auch die Werbung für die Karl-May-Spiele verankert. Die Hauptdarsteller mussten permanent herumreisen, um Reklame zu machen. Ingrid Steeger, die den zugkräftigsten Namen aller Darsteller hat, war natürlich besonders eingespannt.

Wie war die Stimmung im Team? "Sehr gut", sagt die Schauspielerin. "Wir haben uns alle prächtig verstanden und sind nach den Abendvorstellungen meist noch auf ein Glas Wein irgendwo hingegangen."

Ohne Blessuren ging die Zeit auch bei Ingrid Steeger, die als einzige Hauptdarstellerin nicht reiten musste, nicht vorbei: Ein Muskelfaserriss und eine Seitenwandentzündung im Knie - Karl May hat seine Spuren hinterlassen. Trotzdem hofft sie, dass die Spiele 1995 nicht ihre letzten waren. "Aber jetzt mache ich erst mal Urlaub."