Peter Petrel begeisterte die Frauen, und Ricky Shane sprang mit zerrissenem Hemd auf die Bühne der Dorfdisco: Mit fast allen Größen der Vergangenheit verbinden Christel und Charly Gottschalk besondere Erlebnisse.

Nahe. "Marmor, Stein und Eisen bricht" - aber Drafi Deutscher, der diesen Dauerbrenner sang, war weder Stein, noch Marmor oder gar Eisen. Der Schlagerstar galt nicht gerade als solide. Vor seinen Konzerten stand stets ein Fragezeichen: Kommt er? Oder kommt er nicht? Christel und Charly Gottschalk waren so manches Mal verzweifelt, wenn es um einen Auftritt des Stars ging. Das Ehepaar aus Nahe hatte seine Mühe mit Drafi Deutscher. "Ein Querkopf ohne Ende", erinnern sich die beiden und müssen immer noch schmunzeln, wenn sie an die Erlebnisse von damals denken. Beide haben die große Zeit des deutschen Schlagers aus einem ganz besonderen Blickwinkel erlebt: Sie waren mittendrin und live dabei. Mit fast allen Größen der Vergangenheit verbinden sie besondere Erlebnisse: Sie veranstalteten Tourneen und Einzelkonzerte mit Chris Roberts, Howard Carpendale und Co.

Es war die Zeit von "Mendocino", von "Das kannst du mir nicht verbieten" und "Das schöne Mädchen von Seite eins". Schlager gehörten damals zum deutschen Alltagsleben, die Sängerinnen und Sänger waren Allgemeingut. Christel und Charly Gottschalk machten ein gutes Geschäft mit den damaligen Größen der Schlagerszene. Das funktionierte, weil die meisten Stars kein professionelles Management hinter sich hatten. Das Ehepaar aus Nahe konnte den Interpreten interessante Angebote machen: Die Gottschalks verpflichteten die Künstler für ein bis drei Monate und garantierten ihnen ein gutes Einkommen für diese Zeit.

Das war leichtes Spiel. "Wir hatten damals eine Kartei mit 7000 Adressen von Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland." Bei 20 Auftritten im Monat kam ein mittelprächtiger Schlagersänger wie Peter Orloff schon auf eine stattliche Monatsgage von 10 000 Mark - in der damaligen Zeit eine enorme Summe für einen Mann, der als Sänger eher zweite Wahl war. "Es war für uns kein Problem, den Künstlern Auftritte zu verschaffen", erinnert sich Charly Gottschalk. Kein Wunder: Jede Dorfdisco war froh, eine Lena Valaitis oder einen Ricky Shane präsentieren zu können. "In den Tanzlokalen haben wir offene Türen eingerannt, die haben uns die Künstler aus der Hand gerissen."

Selbst die gerade abgerissene Wilstedter Mühle in Tangstedt machte keine Ausnahme: Ricky Shane ("Ich sprenge alle Ketten") musste mit drei Bodyguards zur Bühne begleitet werden und kam dort trotzdem mit zerfetztem Hand an. Waren das Zeiten.

Die Kiste mit den Erinnerungsbildern ist unerschöpflich. Zum Beispiel Michael Holm: Der wollte unbedingt aus seinem Vertrag entlassen werden, weil er mit "Mendocino" plötzlich zum deutsche Superstar geworden war, der viel höhere Gagen hätte verlangen können. Christel und Charly Gottschalk pochten aber auf ihren Vertrag - und Herr Holm erfüllte ihn zähneknirschend.

Wer erinnert sich heute noch an Bernd Spier? "Das kannst du mir nicht verbieten" hieß sein großer Hit 1963, danach folgten die Nummer-Eins-Hits "Memphis Tennessee" und "Das war mein schönster Tanz" - das war's. Viel mehr kam dann nicht, aber das Naher Ehepaar hatte ihn, wie übrigens auch Peter Petrel, exklusiv unter Vertrag. An ihn denken sie noch gerne zurück: "Seine Auftritte waren grandios, mit seiner Masche brachte er die Mädchen immer wieder zum Schwärmen." Was aus Bernd Spier geworden ist, lässt sich im Internet bei Wikipedia nachlesen. Er ist jetzt Immobilienmakler in Hessen - aber der Name des Managers ist dort auch vermerkt: Charly "Caputnic" Gottschalk.

Mit Howard Carpendale sind die Gottschalks zwar kegeln gegangen, ansonsten aber sind die Erinnerungen an ihn nicht so gut. Chris Roberts schneidet in der nachträglichen Bewertung um einiges besser ab. Marianne Rosenberg, Baccara, Bata Ilic, Peter Petrel und andere verdienten ihr Geld mit den umtriebigen Gottschalks, sie selbst allerdings wurden mit ihrer Geschäftsmasche nicht reich.

"Irgendwann haben wir gemerkt, dass sich die Schlagersänger goldene Schlösser bauen konnten, wir saßen aber immer noch in der Mietwohnung", sagt Christel Gottschalk. Denn der finanzielle Einsatz und der Arbeitsaufwand war im Vor-Computerzeitalter enorm: Berge von Prospekten und Briefen mussten verschickt werden, unzählige teure Telefonate geführt werden: Die Gottschalks sahen sich nach anderen Geschäftsideen um. Ein neuer Zweig war zum Beispiel das Managen von Radio-Moderatoren: Wolfgang Hahn, Günter Fink, Wolf Dieter Stubel, Gert Timmermann - auch dieses Geschäft lief prächtig, denn die Sprecher waren gefragte Gaststars in den Diskotheken.

Noch besser aber lief die eigene Vermarktung: Charly Caputnic war bald ein Begriff in Norddeutschland. Seine Shows in den Discos, bei Zelt- und Dorffesten waren legendär. Oft sorgte er zusammen mit einem anderen Naher für Stimmung: Der jetzige CDU-Kreisgeschäftsführer Uwe Voss, früher bekannt als Entertainer Vossi, und Charly waren ein unschlagbares Team, das die Massen zum Rasen brachte. Die "Rollende Disco", Veranstaltungen für die Industrie und vor allem der Verleih von Veranstaltungstechnik im großen Stile brachten den Gottschalks schließlich das nötige Geld, um in Nahe Hausbesitzer zu werden. Heute genießt Charly Gottschalk seinen Ruhestand, Ehefrau Christel hat im Lüttmoor neben der Naher Schule ein Fotostudio mit Drucksachenservice eröffnet. Das Schaufenster ist dekoriert mit eigenen Fotos von Schlagerstars: Nostalgie pur in Nahe.