Annette und Hans-Joachim Wild wollen es noch einmal wissen: Die beiden Bad Segeberger gehen ab September für drei Jahre nach Irkutsk.

Bad Segeberg. Wintertemperaturen von minus 40 Grad, ein Sommer, der heiß, aber kurz ist, und endlose Weite, die bis ins ewige Eis reicht: Das ist Sibirien. Nicht unbedingt ein Ziel, das der ganz normale Urlauber auf dem Plan hat. Und das wohl schon gar nicht die erste Wahl ist, um ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten. Ganz anders für das Ehepaar Annette und Hans-Joachim Wild aus Bad Segeberg. Ihre Koffer sind so gut wie gepackt. Am 1. September tritt Annette Wild für drei Jahre eine Stelle in der ostsibirischen Metropole Irkutsk an. Sie soll dort russischen Abiturienten und Abiturientinnen das deutsche Sprachdiplom abnehmen und zudem russische Deutschlehrer als Fachschaftsberaterin schulen.

"Irkutsk soll eine der schönsten Städte Russlands sein", schwärmt Annette Wild jetzt schon, obwohl sie noch nie dort gewesen ist. "Ich kenne die Stadt aus Filmen und von Bildern. Ich stelle es mir wundervoll vor. Der Baikalsee, ein Teil des Weltnaturerbes, liegt schließlich nicht weit entfernt. Die Mongolei und China auch nicht. Und so wie es knackig kalte Winter gibt, gibt es dort auch knackig heiße Sommer", sagt die 58-jährige Segebergerin.

Russisch sprechen sie und ihr Mann noch nicht. Ein 14-tägiger Crash-Kursus, den die beiden noch vor der Abreise gen Osten absolvieren werden, soll Abhilfe schaffen. "Es ist schon klar, dass man danach nicht hochpolitische Diskussionen führen kann. Aber ich bin mir sicher, dass wir damit im russischen Alltag zurechtkommen werden", ist die Lehrerin überzeugt. Außerdem lerne man sehr viel im Gespräch mit den Menschen.

Die Stelle am anderen Ende der Welt wurde extra für Annette Wild geschaffen. Vor allem das "Lyzeum Nummer Drei" soll Dreh- und Angelpunkt ihrer Arbeit sein. Dort ist Deutsch erste Fremdsprache. Aber auch nach Ulan Ude und Jakutsk wird ihre neue Aufgabe sie führen. "Mein Mann und ich wollten eigentlich schon vor 30 Jahren ins Ausland gehen. An die Deutsche Schule in Teheran", erzählt Annette Wild. Doch dann kam alles ganz anders. Sie und ihr Ehemann Hans-Joachim richteten sich in Bad Segeberg ein. Die beiden etablierten sich als Gymnasiallehrer - er an der Dahlmannschule, sie am Städtischen Gymnasium. Das Paar bekam Kinder, baute ein Haus.

Ende des Jahres 2007 weckte ein Zeitungsartikel über den Auslandsschuldienst dann alte Träume: "Ich habe mich sofort danach erkundigt. Und ich hatte gar nicht gewusst, dass so etwas noch in unserem Alter möglich ist." Ihrer Bewerbung folgten vier verschiedene Stellenangebote: in Rumänien, in Bulgarien, im Ural sowie in Irkutsk in Sibirien. Die Entscheidung fiel schnell. "Wir haben schon lange eine ganz besondere Affinität zu Russland. Unsere beiden Söhne heißen Aljoscha und Nikolaj. Wir interessieren uns für die russische Kultur. Außerdem hatten wir das Gefühl, in Irkutsk die größten Entfaltungsmöglichkeiten zu haben", sagen die Auswanderer auf Zeit.

Hans-Joachim Wild hatte in der vergangenen Woche seinen letzten Schultag an der Dahlmannschule. Eigentlich könnte er jetzt in den beschaulichen Ruhestand wechseln. Doch an der Seite seiner Frau freut er sich schon auf das Abenteuer Russland. "Wir sind nicht mutig, sondern einfach neugierig auf Neues", betonen die beiden "Und es ist ja eine glückliche Fügung, dass ich nicht arbeiten muss, sondern Zeit habe für anderes - etwa um die Sprache intensiv zu lernen, aber auch für Land und Leute", sagt der 64-Jährige, der sein Mandat als CDU-Kreistagsabgeordneter zurückgibt. Andererseits bestehe natürlich die Möglichkeit, sich auch beruflich einzubringen. Nachfragen habe es bereits gegeben. "Aber das wird sich zeigen", sagt Hans-Joachim Wild.

Jetzt stehen erst einmal die ganz praktischen Dinge bevor. Die neuen Kollegen haben dem Ehepaar zwar schon eine kleine Wohnung am Stadtrand besorgt, aber andere Dinge wie Telefon- oder Internetanschluss müssen sie selbst organisieren. "Zusagen von Freunden, uns zu besuchen, haben wir auch schon", verrät Annette Wild, die zukünftige "Fachschaftsberaterin" in Irkutsk. "Und an den langen, kalten Wintertagen laufen wir Ski - das haben wir uns vorgenommen."

Sie werden allerdings in den kommenden 36 Monaten ihre Zelte zu Hause nicht komplett abbrechen. Weihnachten beispielsweise wollen sie in Bad Segeberg feiern - und sie werden dann vielleicht über den milden Winter hierzulande lächeln.