Psychische Überlastung und schlechte Bezahlung: Die Betreuer unserer Kinder schlagen Alarm.

Norderstedt

Sie fordern mehr Gesundheitsschutz, mehr Anerkennung und mehr Geld: Die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendarbeit in Norderstedt folgten am Dienstag einem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und streikten. Vier Kindertagesstätten in Norderstedt blieben ganz geschlossen. Auch auf betreuten Spielplätzen und bei anderen offenen Angeboten für Kinder und Jugendliche in der Stadt ging am Dienstag gar nichts.

Ver.di hatte laut Sprecher Jörg Wilczek etwa 120 Mitarbeiter in den städtischen Kitas und in der Kinder- und Jugendarbeit zur Niederlegung der Arbeit aufgerufen. Um 8 Uhr am Dienstagmorgen trafen sich schließlich etwa 60 Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagogen und Jugendbetreuer in der Geschäftsstelle von Ver.di an der Europaallee zum "Streikfrühstück". Viele Mitarbeiter hätten laut Wilczek Bedenken, für ihre Belange auf die Straße zu gehen: "Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist massiv." Laut Informationen von Ver.di soll die Norderstedter Stadtverwaltung geprüft haben, ob sie dem Beispiel Kiel folgen soll. Die Kieler Verwaltung hatte vor dem Kieler Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt, die den Streik der Erzieher für unrechtmäßig erklärte und untersagte. Das "Ultima-Ratio-Prinzip" sei verletzt, da Streiks nur als letztes Mittel in einer Tarifauseinandersetzung erlaubt sind, es aber über einen Gesundheitstarifvertrag erst ab heute Tarifverhandlungen geben wird. Die Gewerkschaften werfen den Arbeitgebern aber vor, sie hätten eine Aufnahme von Verhandlungen verschleppt.

Auf dem Norderstedter Rathausmarkt machten die Protestierenden ihrem Frust Luft. Marion Junker von Ver.di, die jahrelange Erfahrung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit hat, machte sich zum Sprachrohr für die Kollegen. "Wir wollen uns mit unseren Arbeitsgebern ja gar nicht streiten. Wir machen ihnen nur ein Angebot, wie es für uns alle besser laufen könnte." Die Erzieher und Jugendarbeiter wollen mit ihren Gesundheitsproblemen ernst genommen werden. Junker: "Gute Arbeitsbedingungen sind nicht nur ein ergonomischer Stuhl und ein schöner Schreibtisch. Angebote für autogenes Training oder Entspannungstechniken müssen her." Gerade die Mitarbeiter in den Kitas seien erschöpft und nervlich am Ende. "Die Finanzkrise haben wir in der Kinder- und Jugendarbeit schon gespürt, da wussten die meisten noch nicht mal, wie man ,Bad Bank' schreibt", sagt Junker. Die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen, die Bezahlung stocke. Wer heute nach eine fünfjährigen, unbezahlten Ausbildung zum Beispiel bei einer Kita einsteige, lande auf der Besoldungsstufe 6, das entspricht einem Gehalt von 1870,23 Euro Brutto. Damit könne niemand eine Familie ernähren. Junker: "Für unsere anspruchsvolle Arbeit brauchen wir endlich anständiges Geld." Im Anschluss an die Kundgebung auf dem Rathausplatz fuhren etwa 35 der Norderstedter Protestierenden zur zentralen Kundgebung der Gewerkschaft nach Kiel. Viele konnten zu der bis etwa 19 Uhr angesetzten Veranstaltung nicht mit - sie mussten ihre Kinder in den Kitas abholen.