David Garrett und Peter Maffay begeisterten am Wochenende ihre Fans in der ausverkauften Arena in Bad Segeberg. Maffay kam mit Harley auf die Bühne.

Bad Segeberg. Kira ist erst zehn Jahre alt, aber sie weiß ganz genau, was sie werden will, wenn sie einmal erwachsen ist: Stargeigerin. So wie der junge Mann mit dem Hütchen und den Schlapphosen, den sie auf der Bühne bewundert. Kira aus Bremen möchte einmal so gut auf der Geige spielen wie David Garrett. "Wenn sie übt, zieht sie extra ihre zerrissenen Jeans an", sagt ihre Mutter Birgit, 43. Aber das ist ihr herzlich egal. Sie ist froh, dass ihre Tochter ein Vorbild hat, dem sie nacheifert. "Wenn David Garrett nicht wäre, würde Kira wahrscheinlich längst nicht so viel üben", sagt ihre Mutter. Kira lächelt verschmitzt und nickt. Familie Skipper ist aus Bremen angereist, um in Bad Segeberg den jungen Meistergeiger zu hören - und in der Pause wird der Fanshop gestürmt: Die Familie deckt sich mit David-Garrett-T-Shirts ein. Das Konzert finden die Skippers natürlich großartig.

So wie die anderen 10 000 Besucher im Freilichttheater am Kalkberg, das an diesem Abend wie erwartet ausverkauft ist. Denn David Garrett ist ein Star, der auf vielen großen Bühnen dieser Welt zu Hause ist. Ein Weltstar also, das kann man mit Fug und Recht behaupten. Wie ein solcher allerdings gibt er sich nicht. Während seine fünfköpfige Band zusammen mit den Streichern der Neuen Philharmonie Frankfurt das Eröffnungsstück "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana anstimmt, müssen die Zuschauer den Geiger erst suchen. Und da ist er: Rechts von der Bühne kommt er den Abhang herunter, lächelt und fiedelt. Jubel! Der steigert sich noch nach dem zweiten Stück: Beethovens fünfte Symphonie in der eigenwilligen Crossover-Version des David Garrett. Es ist schon faszinierend, mit welcher Leichtigkeit der Geiger die Bühne beherrscht. Wer hätte je gedacht, dass ein junger Geiger, der Klassik und Rock gleichermaßen beherrscht, einen derart atemberaubenden Erfolg auf der ganzen Welt hat?

Zwischen den Titeln greift David Garrett zum Mikrofon und erzählt Anekdoten aus seinem jungen Leben. Zum Beispiel diese: Als er kürzlich im alten Kinderzimmer im Hause seine Eltern war, biss er genüsslich in eine Hanuta-Schnitte und wunderte sich über den bröseligen Geschmack. Ein Lothar-Mathäus-Foto von der WM 1990 brachte ihm schließlich die Erleuchtung, dass diese Schnitte wohl nicht mehr ganz frisch war. Oder diese: In Chicago "verjoggte" er sich vor einem Konzert, fand nicht wieder zum Theater zurück. Erst eine aufmerksame Passantin, die David Garrett vom Plakat her erkannte, lotste ihn noch rechtzeitig zum Auftrittsort zurück. Möglicherweise erzählt der Star bei jedem Konzert dieselben Anekdoten - nett sind sie trotzdem. Er kommt ohne Frage sympathisch rüber. Auf Videowand rechts von der Bühne und gelegentlich auf der Projektionsfläche im Bühnenhintergrund ist er in Großaufnahme zu sehen.

Im Laufe von zweieinhalb Stunden musiziert sich David Garrett durch klassische Werke wie den zweiten Ungarischen Tanz von Johannes Brahms, durch Ravels Bolero, durch Claire de Lune von Claude Debussy oder Paganinis Variation Nr. 18 von Rachmaninoff. Er lässt die Körper der Zuschauer bei Zorbas Dance von Mikis Theodorakis zucken und geigt sich schließlich durch die Rockliteratur: Aerosmith, Michael Jackson, AC/DC, Led Zeppelin, Metallica, McCartney - und schließlich: John Fogertys "Rockin' All Over The World", der alte Status-Quo-Hit als vorläufiger Abschluss des Konzerts. Danach die Zugaben mit dem eigentlichen Höhepunkt: "Hey Jude" von den Beatles, zu dem auf David Garretts besondere Bitte die beleuchteten Displays vieler Handys in die Luft gereckt werden. Ein fantastisches Bild am Segeberger Kalkberg mit dem tausendstimmigen Chor: "Nanananananana..." Bühnenfeuerwerk, Konfettikanone, dann ist Schluss. Unwiderruflich. Die Besucher sind glücklich, zumal David Garrett ihnen attestiert hatte: "Tolle Stimmung hier in Bad Segeberg. Ich hatte ja etwas Bammel, weil ich nicht wusste, was mich hier erwartet."

Auffällig übrigens die Zusammensetzung des Publikums: Wenig junge Leute, schon gar keine Teenies. Eher gediegenes Mittelalter mit Hang zu grauen Haaren. Das amüsierte sich großartig: Es war ein wohl ausgewogenes Konzert mit musikalischen Höhepunkten und - sehr wichtig - dezent ausgesteuertem Sound.

Auf die Garrett-Premiere am Kalkberg folgte am Wochenende der Besuch eines alten Bekannten, der seit Jahrzehnten zu den Stammgästen in der Arena zählt. Peter Maffay beginnt sein Konzert mit einem furiosen Start. Die Band steigt ein, nur der Sänger fehlt. Über die riesigen Lautsprechertürme hört man ohrenbetäubendes Motorrad-Geknatter, und da rollt er auf seiner Harley die staubige Abfahrt zur Bühne heran: Peter Maffay, mittlerweile 61 Jahre alt, aber mit der ungebrochenen Energie des Deutsch-Rockers.

Die Harley rollt bis auf die Bühne. So hatte Maffay 1982 sein allererstes Open-Air-Konzert in Bad Segeberg begonnen, und diesen Auftritt mit Motorrad gönnte er den 10 000 im ausverkauften Kalkbergstadion auch an diesem Abend. Bei "Schatten in die Haut tätowiert" war der Beifall noch verhalten - nur eingeschworene Fans mögen die neueren und selteneren Stücke.

Dann aber die "Sonne in der Nacht", und da ist er endlich zu Hause: Peter, der Große, wie die eingeschworene Fan-Gemeinde den Musiker nennt.

Nun können sie ihren Peter feiern, und sie haben allen Grund dazu. Einige neue, vor allem aber all die geliebten älteren Titel präsentiert er zum Auftakt der "Und es wird Sommer"-Tour.

Es ist gerade dunkel geworden im Kalkbergrund, als Maffay die erste Zugabe anstimmt. Nein, sie wollen ihn nicht gehen lassen.