Das neue Schulgesetz im schleswig-holsteinischen Landtag ist weiter heftig umstritten. Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium möglich.

Kiel. Schleswig-Holsteins schwarz-gelbe Landesregierung bleibt dabei: Im nördlichsten Bundesland soll das Schulsystem drei Jahre nach der Reform erneut reformiert werden - auch wenn die Umstrukturierung angesichts der anstehenden Neuwahlen im Lande nur von kurzer Dauer sein könnte. Die Fraktionen im Kieler Landtag lieferten sich gestern in der ersten Lesung des Entwurfs des neuen Schulgesetzes eine Redeschlacht.

Das Friedensangebot der Grünen zu Beginn der Sitzung, einen runden Tisch einzurichten, um sich auf ein parteiübergreifendes und regierungsunabhängiges Schulkonzept zu einigen, wies die FDP, der auch Bildungsminister Ekkehard Klug angehört, harsch zurück.

Die Kernpunkte der von FDP und CDU angestrebten Reform: Die Landesregierung will nach Protesten von Schülern und Eltern zum kommenden Schuljahr neben dem gymnasialen Turbo-Abitur nach acht Jahren (G8) die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) möglich machen. Zudem sollen sich die Regional- und Gemeinschaftsschulen einander annähern. Das heißt: Den Gemeinschaftsschulen soll die Binnendifferenzierung nach Haupt- und Realschule, wie sie an den Regionalschulen praktiziert wird, freigestellt werden. Klug will damit und mit der Wahlfreiheit der Gymnasien G8, G9 oder gar beides anzubieten, den Schulen "Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten" einräumen. Das würde die Herzstücke der Reform der schwarz-roten Vorgängerregierung - G8-Gymnasien und gemeinsames Lernen an den Gemeinschaftsschulen - aufweichen und zum Teil rückgängig machen.

SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner bezeichnete Klug im parlamentarischen Schlagabtausch als "knallharten Konservativen", der ein kaum zu beschreibendes Schulchaos inszeniere. Stegner forderte den Bildungsminister auf, das Papier "in der Blauen Tonne" zu entsorgen. "Dieses Schulgesetz ist unnütz, handwerklich schlecht gemacht und überflüssig wie ein Kropf." Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband wollte den Entwurf gar in der Kieler Förde versinken sehen.

Die Fraktion Die Linke warf Klug "bildungspolitische Piraterie" vor. Diese vermeintliche neue Vielfalt mache die Schulen zum "Experimentierlabor", so Uli Schippels (Die Linke).

Stegner bezeichnete den "freiheitlichen Aspekt im Gesetzentwurf als kaum getarnte Wiederbelebung des dreigliedrigen Schulsystems innerhalb der Organisationsstruktur der Regional- und Gemeinschaftsschule." Das sei nicht die fortschrittliche FDP, das sei Rückschritt pur. Anke Erdmann (Bündnis 90/Die Grünen) nannte den Entwurf "diffus". Und: "Diese Reform braucht niemand. Jede Regierung wäre in der jetzigen Situation schlecht beraten, eine Schulreform anzupacken".

Damit sprach die grüne Politikerin die anstehenden Neuwahlen in Schleswig-Holstein an. Spätestens 2012 muss ein neuer Landtag gewählt werden. Ralf Stegner kündigte in seiner Rede an, die Landtagswahlen zur Volksabstimmung über die "verfehlte Schulpolitik" der schwarz-gelben Regierung zu machen.

CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher hält die Gesetzesänderung in den Punkten G8 und G9 für dringend notwendig. "G8 ist gut, aber schlecht umgesetzt. Die Gymnasien brauchen daher die Wahl. In meinem Wahlkreis kenne ich Gemeinschaftsschulen, die sich die Leistungsdifferenzierung wünschen, die wir möglich machen wollen."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Schleswig-Holstein warnt indes vor einer neuen Schulreform: "Die Schulen müssen sich angesichts der Neuwahlen jetzt auf zwei Schulgesetzänderungen nacheinander einstellen. Dieser Umgang mit der Schulbildung ist unerträglich", sagt GEW-Landesvorsitzender Matthias Heidn. "Schulen können nicht ständig bildungspolitische Pirouetten zugemutet werden."