Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, spricht von Arsen und Blei, die eine Rückholung noch schwerer machen.

Hannover. Das marode Atomendlager Asse bei Wolfenbüttel ist eine umweltpolitische Zeitbombe, weil jederzeit unkontrollierbare Wassereinbrüche passieren können. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), hat gestern klargemacht, dass es bei den Überlegungen zu einer Bergung des Atommülls eine zweite große Unbekannte gibt. Derzeit, so berichtete König vor dem Asse-Untersuchungsausschuss in Hannover, ist noch nicht einmal klar, wie gefährlich der Müll wirklich ist, der zwischen 1967 und 1978 in das einsturzgefährdete Salzbergwerk gebracht wurde: "Das ist das große Fragezeichen für die Rückholung."

Am 1. Januar hat das Bundesamt mit Sitz im benachbarten Salzgitter die Rolle des Betreibers für die Asse übernommen, weil dem Vorgänger Helmholtz-Zentrum in München eine ganze Serie von Pannen und Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften angelastet werden. Seither wird die Schließung auch nicht mehr nach Bergrecht, sondern nach dem ungleich strengeren Atomrecht betrieben.

Für den Fall eines Absaufens des fast 1000 Meter tiefen Bergwerks hat das Bundesamt inzwischen Notfallpläne entwickelt. Aber ehe eine Rückholung der 126 000 Fässer mit schwach und mittel aktivem Atommüll erfolgen kann, muss Klarheit über dessen Gefährlichkeit geschaffen werden. Dabei geht es, wie König erläuterte, gleich um zwei Problemlagen. Zum einen ist damals nach seiner Schilderung stärker strahlender Müll durch Ummantelung mit Beton oder Blei so eingepackt worden, dass die Außenmessungen an den Fässern "nicht die Realität der Strahlung abbilden". Als Beispiel führte König rund 150 Fässer an, die wegen des Anlieferungsstopps Ende 1978 nicht mehr in die Asse kamen, sondern in der schleswig-holsteinischen Landessammelstelle Geesthacht landeten. Bei der Hälfte dieser Fässer sei die Strahlung nur durch eine solche nachträgliche Abschirmung einzudämmen gewesen.

Zudem gebe es ein weiteres "Gefährdungspotenzial", weil Bestandteile des Abfalls auch gefährliche Giftstoffe wie Arsen, Blei und Cadmium sind. "Die Frage der chemotoxischen Eigenschaften wird neu zu beurteilen sein." Diese Stoffe bleiben selbst dann toxisch, so der BfS-Chef, wenn die radioaktive Strahlung im Laufe von vielen Jahrtausenden abklingt. "Die Frage nach dem Inventar ist zentral für die Sicherheit der Bergleute."

König bestätigte vor dem Ausschuss nicht nur Fehler und Versäumnisse des Betreibers Helmholtz aus der Zeit bis Ende 2008, er berichtete auch, dass man dort auf Unterstützung durch das Bundesamt keinen Wert legte, obwohl das BfS auch für die Schließung des ehemaligen DDR-Endlagers Morsleben zuständig ist und dort bereits deutliche Fortschritte erzielt hat: "Eine Beratung wurde vom Asse-Betreiber nicht gewollt." Der entscheidende Fehler aber ist nach Einschätzung von König bereits in den 60er-Jahren passiert: "Die Asse ist ein Bergwerk, in das niemals radioaktiver Abfall hätte eingelagert werden dürfen."

Das Problem für alle weiteren Planungen: Einerseits muss das BfS Klarheit haben über die Zusammensetzung des Mülls, andererseits ist die Standfestigkeit des Grubengebäudes nur noch bis zum Jahr 2020 gesichert. In den nächsten Monaten sollen zwei Kammern angebohrt werden, um dort Radioaktivität zu messen. Zeitgleich geht die Bestandsaufnahme des Abfalls anhand der Akten weiter. Eine abschließende Bewertung aber, so König gestern, erwarte er nicht mehr in diesem Jahr.