Schleswig-Holsteins Regierungschef Carstensen fordert mehr Geld vom Bund, der Oppositionsführer einen Sparbeitrag von Millionären.

Kiel. Beim Sparen kennt Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) kein Pardon. In einer Regierungserklärung verteidigte er die geplanten Einschnitte in Schleswig-Holstein, forderte aber auch deutlicher als bisher Hilfe vom Bund. Beifall kam nur von CDU und FDP. Die Opposition schoss Sperrfeuer, und vor dem Landeshaus protestierten 14 000 Sparopfer für den Erhalt der Unis in Lübeck und Flensburg. Sie bescherten Kiel die größte Demo seit mehr als 30 Jahren.

Carstensen zeigte Verständnis für die Massenproteste. "Alle haben für ihr Anliegen subjektiv gute Argumente." Die schwarz-gelbe Regierung habe aber die historische Verpflichtung, das Land finanziell in Ordnung zu bringen. "Vor uns liegen zehn harte Jahre." Die Einschnitte seien alternativlos, bekräftigte er und löste damit nicht nur bei der Opposition Widerspruch aus. Auf der Tribüne des Landtags drängten zwei Jung-Kommunisten nach vorn, hängten ein Transparent an die Balustrade und forderten eine "soziale Revolution". Carstensen konterte sofort. "Der nächste Flug nach Kuba geht in dreieinhalb Stunden."

Das Gelächter im Landtag verstummte schnell. Carstensen griff zum Manuskript, las die lange Sparliste vor und legte mit Blick auf Berlin nach. "Wir brauchen eine stärkere Beteiligung der Länder und der Kommunen an der Umsatzsteuer." Schleswig-Holstein werde das mit Nachdruck einfordern. Klar ist, dass der Bund angesichts seiner leeren Kasse kaum bereit sein dürfte, aus dem bestehenden Steueraufkommen mehr an die Länder abzutreten. Voraussetzung wären Steuererhöhungen. Die aber forderte Carstensen nicht.

Der Ministerpräsident appellierte dafür an Berlin, einen Altschuldenfonds für Bund und Länder einzurichten sowie bei teuren Gesetzen das nötige Geld mit zu überweisen. Beides steht seit Jahren auf der Wunschliste vieler Länderchefs. Die Opposition im Landtag legte kräftig nach. Sie forderte vom Bund Steuererhöhungen und insbesondere einen Sparbeitrag von Besserverdienenden und Millionären.

Konkreter wurde Carstensen bei den Sparplänen im Schulbereich. Demnach sollen alle Lehrerstellen eingespart werden, die durch den Schülerrückgang bis 2020 rechnerisch nicht mehr benötigt werden. Bisher hatte die Regierung den Eindruck erweckt, zumindest einen kleinen Teil der "Demografie-Rendite" in den Schulen belassen zu wollen.

Hoffnungen dürfen sich dagegen die Hochschulen machen. Carstensen bekannte sich zwar dazu, die Wirtschaftsstudiengänge in Flensburg und die Medizinische Fakultät in Lübeck zu schließen, verwies aber auf die laufenden Verhandlungen mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Details nannte er nicht.

Erreichen will das Land aber offenbar, dass der Bund über das Forschungszentrum Borstel Teile der Lübecker Medizinforschung unter seine Fittiche nimmt. Die Medizinlehre in Lübeck, also die 1350 Studienplätze, dürften schwerer zu retten sein. Jeder Student kostet das Land im Jahr 50 000 Euro, und Schleswig-Holstein bildet im Bundesvergleich überdurchschnittlich viele Mediziner aus.

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) betonte zwar seinen Sparwillen, zerriss aber fast alle Vorschläge von CDU und FDP als kaltherzig, schlampig oder unprofessionell. "Sie machen Politik gegen die Mehrheit der Menschen", sagte Stegner und griff Carstensen persönlich an: "Merken Sie noch etwas, Herr Ministerpräsident?"

Carstensen ließ sich nicht provozieren und verfolgte später gebannt die Rede von Grünen-Fraktionschef Robert Habeck. Der erinnerte an die grünen Sparvorschläge, rechnete mit der FDP ab und nährte so den Verdacht, dass er gern an der Seite von Carstensen mitregieren möchte.

Lebendiger als der Schlagabtausch im Parlament, der sich über fünf Stunden hinzog, ging es vor dem Landeshaus zu. Dort sangen, pfiffen und tanzten mehr Demonstranten als jemals zuvor, viele im gelben T-Shirt mit dem Slogan "Ich kämpfe für die Uni Lübeck". Das Land könne die Uni nicht einfach kaputt machen, bekräftigte ihr Präsident Peter Dominiak. Viele Lübecker waren in einem Sonderzug angereist. Aus Flensburg kamen Busse. In beiden Städten wird der Kampf gegen Kiel auch von der CDU unterstützt.