Kieler Regierung will den Fachbereich Medizin schließen und geht ein hohes Risiko ein

Kiel. Im Streit um die Zukunft der Universität Lübeck fordern die Grünen Aufklärung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Der Landtagsfraktionsvorsitzende Robert Habeck kündigte am Sonntag eine Kleine Anfrage an: "Ich will vom Ministerpräsidenten wissen, ob er die Risikoanalyse der Haushaltsstrukturkommission kannte und ob er seine Entscheidungen in Kenntnis oder Unkenntnis der Risiken traf", sagte er.

Am Freitag war ein internes Papier des Wissenschaftsministeriums bekannt geworden, in dem es auch um mögliche Folgen der geplanten Schließung des Medizinstudiums in Lübeck ging. Daraus ergibt sich, dass die CDU/FDP-Koalition das Risiko einer Schließung der gesamten Universität mit einkalkuliert hat. "Die Universität ist nach Schließung des Fachbereichs Medizin in Lübeck nicht überlebensfähig", steht in dem Papier. Nach dessen Bekanntwerden erklärte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, die Risiken seien letztlich als sehr gering und beherrschbar eingestuft worden.

"Es kann nicht sein, dass die Regierung nur für die FDP arbeitet, damit ihr Fraktionsvorsitzender dann mit den Informationen macht, was er will", sagte Grünen-Fraktionschef Habeck vor dem Hintergrund der Weitergabe des Papiers an den AStA in Lübeck. "Ich fordere die Landesregierung deshalb auf, allen Fraktionen ihre Risikobewertungen der Sparmaßnahmen zur Verfügung zu stellen." Schwarz-Gelb sei dabei, mit der Haushaltsdebatte das zu machen, was die Große Koalition mit der Verwaltungsstrukturreform gemacht habe - "den Boden völlig zu verbrennen".

Das Land habe es bitter nötig, den Haushalt zu sanieren, sagte Habeck. "Wir brauchen dafür einen gesellschaftlichen Schulterschluss. Aber statt Vertrauen zu wecken, wird mit Unwahrheiten und zurückgehaltenen Informationen gearbeitet."

Trotz massiver Proteste hält der Kieler Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) an den Sparplänen für die Hochschullandschaft im Norden fest. "Das ist die Richtung, die wir vorgegeben haben", sagte der Minister. Das Land müsse seinen 25-Milliarden-Defizit-Haushalt in Ordnung bringen. Schleswig-Holstein als Wissenschaftsstandort werde aber nicht kaputtgespart. "Im nächsten Doppelhaushalt gibt es 35 Millionen Euro mehr für die Wissenschaft", sagte de Jager. Auch Lübeck und Flensburg würden jetzt nicht zur Wüste. Die CDU/FDP-Koalition will in Lübeck die Medizin streichen und alle wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge in Flensburg. Außerdem soll das Uni-Klinikum Schleswig-Holstein privatisiert werden.

"Die jetzt angepackten Sparthemen liegen seit Jahren in der Luft, nur keiner hat sich rangetraut", sagte de Jager. Die Torte müsse verkleinert werden. "Und das machen wir, indem wir zwei Stücke gezielt herausschneiden, statt mit dem Löffel überall die Sahne abzukratzen." Das stelle sicher, dass die verbleibenden Teile national und international wettbewerbsfähig blieben.

Das Medizinstudium sei besonders teuer, im Norden würden überproportional viele Ärzte ausgebildet. Für eine Konzentration der Medizinerausbildung in Kiel spricht laut de Jager die Größe der Uni. "Die Christian-Albrechts-Universität verfügt neben der Zahnmedizin über weitaus mehr Fakultäten und damit bessere Schnittstellen zur Medizin als die Medizinische Hochschule Lübeck", lautet das Argument des Ministers.

Für alternative Vorschläge sei er offen, sagte de Jager, sie müssten aber schnell auf den Tisch. Die Idee einer Stiftungsuniversität in Lübeck sieht er aber skeptisch. "Wer sind die Stifter?" Man benötige ein Stiftungskapital, das jedes Jahr 24 Millionen Euro erbringt. Die Streichung der Medizin in Lübeck soll den Haushalt ab 2015 um eben diese Summe entlasten. Das Gesamtvolumen beträgt nach Einschätzung der Haushaltsstrukturkommission rund 150 Millionen Euro bis zum Jahr 2020.