Der Geflügelproduzent zieht nach dem ARD-Bericht personelle Konsequenzen, erhebt aber auch Vorwürfe gegen die Tierschützer.

Osnabrück. Seit Monaten wird in Niedersachsen erbittert um die geplante Ausweitung der Geflügelproduktion gestritten. Jetzt gerät die Massentierhaltung und mit Wiesenhof dabei ausgerechnet der Branchenprimus in die Negativschlagzeilen. Ein Bericht des TV-Magazins "Report Mainz" zeigt Männer einer von Wiesenhof beauftragten Firma, die Hühner in einem Mastbetrieb im Landkreis Diepholz ohne vorherige Betäubung durch Genickbruch töten, andere Tiere ohne Rücksicht auf Verletzungen in Transportkisten schleudern und grundlos treten.

Wiesenhof ist Teil der PHW-Gruppe, eines Geflügelimperiums der Familie Wesjohann mit weltweit rund 4700 Mitarbeitern, fast zwei Milliarden Euro Umsatz und Sitz im niedersächsischen Landkreis Vechta. Der Konzern reagierte umgehend und hat nach eigenen Angaben die Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Fremdfirmen eingestellt. Gleichzeitig erstattete das Unternehmen aber auch Strafanzeige gegen die Tierschutzgruppe Peta und die Betreiber des betroffenen Mastbetriebes: "Wir akzeptieren Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen in keinster Weise." Das Unternehmen will künftig bei den Mästern zudem unangemeldete Kontrollen durch den eigenen Tierschutzbeauftragten durchführen.

Die Anzeige gegen die Tierschutzorganisation und die damaligen Betreiber des Maststalles begründet ein Wiesenhof-Sprecher mit dem Vorwurf, dass diese "das Fehlverhalten geduldet, wenn nicht sogar gefördert" haben, um an die Bilder zu gelangen: "Wiesenhof hegt den begründeten Verdacht, dass die Farmleiterin durch Peta instrumentalisiert wurde." Dem widersprach ein Sprecher der Tierschützer gestern auf einer Pressekonferenz in Osnabrück ausdrücklich. Das Pächter-Ehepaar habe sich erst an Peta gewandt, nachdem Beschwerden bei Wiesenhof über die Tierquälerei folgenlos geblieben seien. Erst danach seien Kameras installiert worden. Die Tierschützer erstatteten gestern ihrerseits Strafanzeigen gegen Wiesenhof.

Tatsächlich sind die Fernsehbilder des ARD-Magazins Wasser auf die Mühlen der Kritiker der riesigen Mastanlagen. Allein im Landkreis Diepholz gibt es 155 Mastbetriebe mit 3,5 Millionen Tieren. Weil in der Region Weser-Ems der Widerstand gegen neue Riesenställe auch wegen der Geruchsbelästigung wächst, versucht die Geflügelbranche jetzt auszuweichen, vor allem in den Großraum Uelzen/Celle an der Autobahn 7 Hamburg-Hannover. Die Kritiker warnen vor einem weiteren "Hähnchen-Highway".

Aus der Sicht von Peta ist Tierquälerei bei dieser Haltungsform "systemimmanent". Auch Eckehard Niemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft in Niedersachsen, widerspricht vehement der Einschätzung von Wiesenhof, es handele sich um einen bedauerlichen Einzelfall: "Tierquälerei ist die fast zwangsläufige Folge von industrieller Massentierhaltung."

Die CDU/FDP-Landesregierung fördert den Bau eines Großschlachthofs bei Celle und die Ansiedlung von Mastbetrieben unter Hinweis auf Arbeitsplätze. Der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer warf der Landesregierung angesichts der Fernsehbilder vor: "Sie spielt die tierschutzwidrigen Zustände herunter." Sie sei verantwortlich für schlechte Tierschutzstandards und lasche Kontrollen: "Der Wiesenhof-Skandal ist nur die Spitze des Eisberges."

Welche strafrechtlichen Konsequenzen die Tierquälerei hat, ist offen. Nach Auskunft der leitenden Tierärztin des Kreises Diepholz, Anja Eisenack, ist nicht jeder Verstoß gegen den Tierschutz eine Straftat. So gelte das Töten ohne Narkose nur als Ordnungswidrigkeit, wenn es nicht mit langem Leiden verbunden sei.