Uwe Schünemann (CDU) will so effektiver abschrecken und vorbeugen. Die Kieler und Hamburger Behörden reagieren allerdings skeptisch.

Hannover/Hamburg/Kiel. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) prescht vor: Er will erreichen, dass vor allem jungen aggressiven Straftätern als Mittel der Vorbeugung weiterer Straftaten der Führerschein entzogen wird. Schünemann hat per Erlass die Polizei angewiesen, künftig ihrer Verpflichtung, Straftaten an die Verkehrsbehörden zu übermitteln, "verstärkt nachzukommen". Erklärtes Ziel aus der Sicht des Ministers ist es, dass vor allem Straftaten wie schwere Körperverletzung bis hin zu Landfriedensbruch, Raub und Totschlag übermittelt werden, weil aus Sicht des Ministers bei solchen Aggressionsdelikten "erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs angebracht sind". Solche Straftäter - jährlich etwa 8000 in Niedersachsen - gefährden laut Schünemann "im Straßenverkehr sich und andere, der Entzug des Führerscheins ist also Prävention zum Schutz der Bevölkerung". Mit seinem Vorstoß befindet sich der Innenminister in seltener Einigkeit mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ursprünglich hatte die Polizeigewerkschaft den Vorschlag gemacht.



Geht es nach Schünemann, leiten künftig die Straßenverkehrsbehörden auf der Basis der Informationen der Polizei häufiger eine medizinisch-psychologische Untersuchung ein. Bei dem auch "Idiotentest" genannten Verfahren kann es zum Führerscheinentzug kommen.

Die oppositionellen Grünen im Landtag hielten Schünemann prompt vor, er unterlaufe rechtsstaatliche Prinzipien: "Strafen dürfen im Rechtsstaat nur von Richtern und nicht von der Polizei oder Führerscheinbehörden ausgesprochen werden." Pikant an dieser Kritik: Fast wortgleich hat der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) vor Monatsfrist zum Thema Stellung genommen: "Nur Gerichte dürfen Strafen aussprechen." Busemanns Sprecher bestätigte gestern, an der Haltung des Ministers habe sich nichts geändert. Busemann (CDU) mahnt "einen sensiblen Umgang mit dem Thema Fahrverbot an".

Auch der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Schlie (CDU) blieb gestern vorsichtig: "Wenn es keine datenschutzrechtlichen Hindernisse gibt, ist das ein überlegenswerter Vorschlag." Was solche Hindernisse sind, hat Busemann bereits deutlich gemacht. Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) nennt als Voraussetzung für den Idiotentest Verstöße, "die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen". Ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde weist darauf hin, dass auch in der Hansestadt Straftäter bereits mit dem Idiotentest rechnen müssen. Dem niedersächsischen Vorbild aber, den Katalog der Straftaten auszuweiten, die weitergemeldet werden, wolle Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) nicht folgen.

Niedersachsens Justizminister Busemann möchte einen anderen Weg gehen und befristete Fahrverbote häufiger als Nebenstrafe in Strafprozessen einsetzen: "Das hat eine ähnlich abschreckende Wirkung, würde aber den Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht weit weniger widersprechen."