Sie behauptet: CDU-Regierungschef Wulff will mit Trickserei verhindern, als größter Schuldenmacher dazustehen.

Hannover. Mit neuen Schulden von je 2,3 Milliarden Euro im laufenden Haushaltsjahr 2009 und im Haushaltsjahr 2010 reagiert das Land Niedersachsen auf die Steuerausfälle durch die Wirtschaftskrise. Ob allerdings die gestern von den Koalitionsparteien im Landtag für 2009 beschlossene Aufnahme neuer Kredite Bestand hat, ist offen.

Mit SPD, Grünen und Linksfraktion haben alle drei Oppositionsparteien im Plenum zu Protokoll gegeben, dass sie dieses Vorgehen für verfassungswidrig halten. Sie wollen den Staatsgerichtshof in Bückeburg anrufen, weil das Land 2009 eine Milliarde Schulden mehr macht als eigentlich nötig, um damit absehbar sehr viel größere Löcher im Jahr 2010 zu stopfen. Der zentrale Vorwurf der Oppositionsparteien: Es gehe darum, mit Tricksereien zu vermeiden, dass Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) im kommenden Jahr die höchste Neuverschuldung der Landesgeschichte zu verantworten hat.

Eigentlich wollte Niedersachsen 2010 bei einem Haushaltsvolumen von rund 25 Milliarden Euro erstmals ganz ohne neue Schulden auskommen. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) versicherte, dieses Ziel strebe die CDU-FDP-Landesregierung unverändert für einen späteren Zeitpunkt an. Jetzt aber gelte es, nicht in der Krise zu sparen: "Es liegt ganz eindeutig eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Niedersachsen vor." Der Nachtragsetat bereite den Weg aus der Krise, dies gelte auch für das Haushaltsjahr 2010. Wenn entsprechend den Wünschen der Opposition jetzt der Etatentwurf für das kommende Jahr zurückgestellt werde, gefährde das zahllose Investitionen etwa bei der Polizei, bei der Unterrichtsversorgung und im Straßenbau: "Das ganze Konjunkturprogramm ginge den Bach runter." Und Möllring legte sich fest: "Es gibt keine Verfassungsnorm, die vorschreibt, wie Rücklagenentnahme, Rücklagenschonung und Nettokreditaufnahme zu kombinieren sind."

Renate Geuter, finanzpolitische Sprecherin der SPD, widersprach dem: "Für Sie hat Selbstinszenierung Vorrang vor der Verfassung." Bei der zu hohen Nettokreditaufnahme gehe es "um den verzweifelten Versuch, eine Nettokreditaufnahme zu erreichen, die unter der des Jahres 2002 liegt". Damals hatte der SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel ebenfalls in der Krise 2,9 Milliarden Euro zu verantworten. Möllring könne sich auch nicht auf die Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts berufen, um eine Verschuldung über der Summe der Investitionen zu rechtfertigen. Ohne die überflüssige rund eine Milliarde Euro bleibe der Etat nämlich trotz Krise unbedenklich, weil die Investitionen höher als die Schulden liegen.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Jürgen Klein hielt der Landesregierung vor, sie zwinge die Oppositionsparteien regelrecht vor den Staatsgerichtshof: "Recht ist, was der Tigerente nutzt, sie machen aus Niedersachsen eine schwarz-gelbe Bananenrepublik". Auch für Klein ist klar, dass es nur darum geht, die drohende Rekordverschuldung 2010 zu vermeiden: "Es geht hier um die persönliche Eitelkeit des Ministerpräsidenten in Konkurrenz zu seinem Vorgänger."

Der Linke-Fraktionsvorsitzende Manfred Sohn sprach von "unsinniger Schuldenmacherei, verantwortungslos durch und durch".

Dagegen verteidigte der CDU-Abgeordnete Reinhold Hilbers die hohe Neuverschuldung im laufenden Jahr: "Das dicke Ende kommt Ende des Jahres." Der Landesrechnungshof habe die Pläne auch nicht als verfassungswidrig bezeichnet, sondern lediglich Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert.

SPD und Grüne wollen sich jetzt auf einen gemeinsamen Gang vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg verständigen.