CDU und FDP verkünden harten Sparkurs. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen - weil noch keine einzige Frauen im Kabinett ist.

Kiel. In Schleswig-Holstein ist die erste schwarz-gelbe Koalition seit 38 Jahren besiegelt. Am Wochenende unterzeichneten die Parteichefs Peter Harry Carstensen (CDU) und Jürgen Koppelin (FDP) in Kiel das Programm ihrer "Koalition des Aufbruchs". Die Opposition vermisste in dem 57-Seiten-Vertrag klare Aussagen und sprach von einem "Wischiwaschi"-Bündnis.

"Wir legen den Grundstein dafür, dass Schleswig-Holstein im Wettbewerb der Länder einen Spitzenplatz einnehmen wird", sagte Carstensen. Koppelin zeigte sich ebenfalls zufrieden und machte deutlich, dass er sich nach der nächsten Wahl 2014 eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb vorstellen kann.

Konkret wurde FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er pochte darauf, dass Schwarz-Gelb wie vereinbart etwa 5600 Stellen und damit jeden zehnten Job im Landesdienst streicht. "Wenn wir das nicht schaffen, ist alles andere Makulatur." In welchen Bereichen Stellen wegfallen, wird eine Sparkommission ermitteln. Das Ergebnis soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2010 vorliegen.

"CDU und FDP wollen Personal sparen und gründen eine Arbeitsgruppe", spottete Grünen-Chef Robert Habeck. Kritik am Sparkurs gibt es intern auch in der CDU. Sie hatte in der Großen Koalition mit der SPD den Abbau von 4800 Stellen bis 2020 vereinbart und dabei insbesondere den Schulbereich im Auge. Bei der FDP, die künftig den Schulminister stellt, war das so nicht durchzusetzen.

Kubicki kündigte im Gespräch mit dem Abendblatt an, dass es in der Sparkommission keine Tabus geben werde. Auf der Prüfliste steht demnach auch eine Anhebung des Pensionsalters bei der Polizei. So könnten Verwaltungspolizisten statt mit 60 erst mit 62 Jahren den Schreibtisch räumen. Der FDP-Vormann machte zugleich klar, dass man Schleswig-Holstein nicht gesundsparen kann. Nötig sei ein kräftiges Wirtschaftswachstum, am liebsten im Schnitt 2,2 Prozent.

Weniger nebulös ist der bildungspolitische Abschnitt des Koalitionsvertrags. Die FDP konnte hier Pflöcke einschlagen und einige der Reformen aufweichen, die CDU und SPD 2007 beschlossen hatten. So gibt es für die eigentlich aussterbende Realschule eine "Resthoffnung". Die SPD protestierte. In der Schulpolitik gebe es keinen Aufbruch, sondern es gehe rückwärts, bemängelte SPD-Chef Ralf Stegner.

Kritisch sieht nicht nur die Opposition das Regierungsteam. In ihm sitzen neben dem Ministerpräsidenten bisher fünf Minister - keine Ministerin. Zwei Ressorts (Justiz und Landwirtschaft) sind noch unbesetzt. Carstensen kündigte an, dass dem Kabinett "Frauen" angehören werden. Auf Nachfrage stellte er aber klar, dass zum Kabinett auch die Staatssekretäre gehören. In der CDU gibt es bereits Gegrummel über die Männerwirtschaft. Gleichwohl gilt es als sicher, dass die Parteitage von CDU und FDP die Koalition und ihr Programm am kommenden Wochenende absegnen.

Der künftige Sozialminister Heiner Garg (43, FDP) rückt in die Regierungsspitze auf - als Stellvertreter von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (62, CDU). "Ich freue mich", sagt Garg bescheiden. Die Frage, warum er den Vorzug vor den beiden anderen FDP-Ministern erhielt, mag er nicht beantworten. "Da müssen Sie Wolfgang Kubicki fragen." Der FDP-Fraktionschef schweigt und spottet. Demnach muss sich das neue Kräfteverhältnis zwischen CDU (31,5 Prozent) und FDP (14,9 Prozent) auch in der Regierungsspitze spiegeln - zwischen dem großen Carstensen (zwei Drittel) und dem schmächtigen Garg (ein Drittel).

Garg kann über den Scherz herzhaft lachen. Der Diplom-Volkswirt aus dem Breisgau ist selbstbewusst, kennt seine Stärken und eben auch Kubicki. Der Vormann der FDP hatte Garg 1995 als wissenschaftlichen Mitarbeiter in die Fraktion geholt, seinen Sprung in den Landtag 2000 befördert und ihn zum Vize-Fraktionschef gemacht.

Politisch tickt der scharfzüngige Redner mit Fönfrisur ähnlich wie Kubicki. Beide sind bekennende Sozialliberale oder wie Garg es zuspitzt: "Herz links, Geldbeutel rechts." Das ist auch Richtschnur für die "moderne Gesellschaftspolitik", die Garg umsetzen möchte. Im Mittelpunkt steht die "Hilfe zur Selbsthilfe", nicht die staatliche Alimentierung.

In der FDP sieht Garg sich als Trendsetter. Als Sozialminister will er für Ideen wie ein flexibles Rentenalter kämpfen. "Wer mit 18 oder 19 Jahren einen Pflegeberuf ergriffen hat, kann nicht bis 67 arbeiten." Dass es nicht leicht für ihn wird, weiß Garg. Auf Schützenhilfe aus anderen Ländern kann er zunächst nicht bauen. Er ist der einzige FDP-Sozialminister Deutschlands. Es sind vor allem protokollarische Aufgaben, die auf Garg zukommen. Politisch zieht weiterhin Kubicki die Strippen. Dem Süden hat der Badener nicht abgeschworen. Der Skifahrer reist gern in die Schweiz und nach Freiburg. Dort wohnt sein Partner, ein Bankkaufmann. "Mit ihm lebe ich seit 25 Jahren in einer festen Beziehung."