Nur wenige Minuten nach Beginn der Beweisaufnahme ist der Kieler Prozess um eine millionenfache Abzocke mit Flirt-SMS wider Erwarten unterbrochen worden.

Kiel. Für die Vernehmung eines Staatsanwalts soll die Verteidigung zusätzliche Akteneinsicht erhalten, entschied die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts. Zuvor waren die zwölf Verteidiger etliche Male mit Versuchen gescheitert, das Verfahren unterbrechen zu lassen, um rund 90 Millionen gespeicherte SMS sichten zu können. In dem Prozess sind sechs Betreiber von SMS-Chats und ihre Gehilfen wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrugs und Beihilfe angeklagt. Sie sollen rund 700 000 Handy-Nutzer um über 46 Millionen Euro geschädigt haben.

Der Start der Beweisaufnahme am dritten Verhandlungstag hatte sich wegen der Anträge der Strafverteidiger stundenlang verzögert. Im Schlagabtausch mit beiden Staatsanwältinnen hatten die Verteidiger vergeblich versucht, die Aussetzung des Verfahrens zu erreichen. Selbst einfache Abfragen in der Datenbank, in der das angebliche Beweismaterial liegt - ihr Umfang entspricht umgerechnet immerhin rund 475 000 Ordnern mit jeweils 200 Seiten -, dauere Stunden, beklagten die Verteidiger. Sie warfen der Anklage"eklatante Fehler" und falsche Zahlen vor. So sei eine SMS gefunden worden, die fälschlicherweise über 200 000-mal als versendet gezählt worden sei. Die Staatsanwältinnen kündigten eine schriftliche Erklärung dazu an. Sie verwiesen darauf, dass sich die Anklage auf "nur" 23 Millionen der 90 Millionen gespeicherten SMS beziehe.