Lange störte sich niemand an der größten Moschee im Norden. Jetzt wollen zwei Anwohner den Gebetsruf mit einer Unterschriftensammlung verhindern.

Rendsburg/Büdelsdorf. 100 Meter wohnt Volkhard von Bonin von der Moschee entfernt. Seit mehr als zehn Jahren beobachtet der 74-jährige Büdelsdorfer, wie vor seiner Haustür das größte muslimische Gotteshaus Norddeutschlands entsteht: zwei Minarette, die große Kuppel, Fenster mit runden Bögen, Arkaden - Tausendundeine Nacht in der schleswig-holsteinischen Provinz. Doch erst jetzt wird der pensionierte Soldat zum Protestanten: Gemeinsam mit dem Malermeister Hubert Scheiding setzte er sich an die Spitze des Widerstandes gegen die Pläne des Islamischen Zentrums, die Gläubigen von einem Muezzin zum Gebet rufen zu lassen. Die beiden Anwohner haben eine Unterschriftensammlung angekündigt. "Die Resonanz ist riesig", sagt der 59-jährige Scheiding.

Bislang galt der Moschee-Bau im Mittenholsteinischen als Vorbild für das friedliche Miteinander der Religionen. Während sich die Auseinandersetzungen in Köln, München oder Berlin zum Kulturkampf hochschraubten, blieben Rendsburger und Büdelsdorfer, an deren Stadtgrenze der 1200-Quadratmeter-Neubau liegt, gelassen. Nun, kurz vor der offiziellen Eröffnung am 9. Oktober, droht doch noch ein offener Konflikt. "Der Muezzin zwingt die Umgebung, an einer religiösen Übung teilzuhaben", argumentiert von Bonin und zitiert Grundgesetz Artikel 140, demnach niemand zu einer religiösen Übung gezwungen werden dürfe. "Aber wir müssen uns das anhören, ob wir wollen oder nicht."

Mit grundsätzlicher Islamkritik habe der Protest nichts zu tun, will sich auch Scheiding verstanden wissen. "Wir wollen aber den Gebetsruf verhindern." Eine mögliche Wertminderung der Immobilien führt er auch als Grund an, wie auch die Nähe zu einer Schule und einem Altenheim. "Wer weiß, wie die Sache weitergeht." In der 30 000-Einwohner-Stadt schlagen die Wellen jedenfalls hoch. Auf der Internetseite der Lokalzeitung bekriegen sich Befürworter und Gegner in einer vehementen Grundsatzdebatte über die Religionsfreiheit. Daran ändern auch die Beschwichtigungsversuche aus der islamischen Gemeinde nichts. "Es besteht nicht die Absicht, den Gebetsruf ohne Zustimmung der Nachbarn und der Behörden einzuführen", sagt der Vorsitzende des Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland, Ramazan Ucar. Auch ein Sprecher der 100 Mitglieder großen Rendsburger Gemeinde wiegelt ab: Das für eine Erlaubnis notwendige Lärmgutachten sei noch gar nicht beantragt, weil es 2500 Euro koste. "Wir haben wichtigere Dinge, die angeschafft werden müssen." Die Moschee hat 1,2 Millionen Euro gekostet, finanziert durch Spenden.

Nach dem jetzigen Stand ist angedacht, dass der Muezzin künftig in den Nachmittagsstunden zwei- bis viermal am Tag zum Gebet ruft. "Das hat für uns symbolischen Wert und muss deshalb nicht so laut sein", so Ucar und verweist auf die Moschee im Neumünster, wo der Gebetsruf seit einigen Jahren leiser als erlaubt erklingt - und es keine Probleme mit den Anwohnern gibt. Einen Fürsprecher haben die Muslime in dem evangelischen Propst Kai Reimer: "Es gibt keinen Grund, dem Angebot der islamischen Gemeinde, friedlich zusammenleben zu wollen, zu misstrauen."

In der Stadtverwaltung bemüht man sich angesichts des unerwarteten Protestes um Sachlichkeit. "Wenn jemand Bedenken hat, ist es nachvollziehbar, dass er sie äußert", sagt Niels Faust aus dem Bürgermeisterbüro. Stadtchef Andreas Breitner (SPD) ist noch in den Sommerferien. Allerdings sei der Handlungsspielraum der Behörde begrenzt: "Wenn die vorgegebenen Richtwerte für Lautstärke, Länge und Frequenz des Gebetsrufs eingehalten werden, müssen wir laut Baurecht genehmigen", sagt Faust. Er hofft auf eine einvernehmliche Lösung. Ein direktes Gespräch gab es bislang noch nicht. Und soll nach dem Willen der beiden Protest-Anführer von Bonin und Scheiding erst mal auch nicht stattfinden. Mindestens 500 Unterschriften wollen sie bis Mitte September sammeln und "damit bei der Stadtverwaltung Druck machen". Wenn auch das Lärmgutachten vorliege, könnten sie sich einen runden Tisch unter Federführung der Stadtverwaltung vorstellen.