In Deutschland wird für den 19-jährigen Marco Weiss sein Urlaubsflirt mit einem 13-jährigen Mädchen kein Nachspiel mehr haben. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg stellte die Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Kindes aus Mangel an Beweisen ein. In der Türkei hingegen läuft der Prozess noch.

Lüneburg/Uelzen. Der heftige Ferienflirt mit einer 13-jährigen Britin in einem türkischen Urlaubshotel vor zwei Jahren wurde für den deutschen Schüler Marco Weiss zu einem Erlebnis mit traumatischen Folgen. Ein Zeichen zum Aufatmen gab die Staatsanwaltschaft Lüneburg nun der Familie: Sie stellte die Ermittlungen wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gegen den inzwischen 19-Jährigen aus Uelzen mangels Beweises ein.

Die Familie spricht von einem zwei Jahr dauernden "Kampf um Gerechtigkeit" und sieht sich bestätigt. "Die Nachricht über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Marco hat uns mit tiefster Zufriedenheit erfüllt", erklärten die Angehörigen. "Sein Ruf, seine Ehre sind nach deutschen Wertmaßstäben für uns wiederhergestellt." Der Jugendliche saß 247 Tage in türkischer Haft. Während im noch laufenden Prozess in Antalya erst im Juni die Plädoyers erwartet werden, hat die deutsche Behörde einen Schlussstrich unter ihre Ermittlungen gezogen. Der Verdacht, dass Marco die damals 13-jährige Charlotte zur Duldung sexueller Handlungen genötigt haben soll, habe sich nicht bestätigt, sagt Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski. Auch habe er nicht versucht, gewaltsam gegen ihren Willen mit ihr geschlechtlich zu verkehren. Marco hatte den Vorwurf stets bestritten. Die Angaben von Charlotte stehen dem entgegen. Ihre Aussagen allein reichten aber für einen Tatnachweis nicht aus, zumal die Angaben des Mädchens nicht völlig konstant gewesen seien, meint Kazimierski. Marco habe beteuert, es sei zu einer von gegenseitiger Zuneigung getragenen Annäherung gekommen. Beide hätten miteinander schlafen wollen. Er habe Charlotte aber für älter gehalten. Sie soll ihr Alter mit 15 angegeben haben.

Die Staatsanwaltschaft hält Marco zugute, dass auch Zeugen das Mädchen auf drei bis vier Jahre älter schätzten. Zudem hätten Zeugen, die sich auf dem Balkon des Zimmers aufhielten, keinen sexuellen Übergriff bemerkt.

Auch bei einer frauenärztlichen Untersuchung kurze Zeit danach seien keine Spuren für eine Gewaltanwendung zu erkennen gewesen. Ebenso wenig habe es Anzeichen für einen psychischen Ausnahmezustand bei dem Mädchen gegeben, erläutert Kazimierski.

Der Sprecher der Anklagebehörde geht nicht davon aus, dass sich das deutsche Ermittlungsergebnis auf den Prozess in der Türkei auswirken wird: "Es ist dem türkischen Gericht schon vor Monaten mitgeteilt worden, dass das Verfahren hier übernommen werden könnte", sagt er. Daran habe kein Interesse bestanden. Aufgrund der Medienberichte musste die Staatsanwaltschaft in Deutschland Ermittlungen aufnehmen. Sollten sich aus dem späteren türkischen Urteil neue Verdachtsmomente ergeben, könnte das Verfahren hier wieder aufgenommen werden, sagt Kazimierski.

Der Fall Marco hatte für politischen Wirbel zwischen Deutschland und der Türkei gesorgt. Mehrere deutsche Politiker setzten sich für ihn ein. So wandte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) direkt an seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül.

Es scheint, als ob das türkische Gericht nun - mehr als zwei Jahre nach der Verhaftung des Jungen - die Beweisaufnahme abgeschlossen hat. Einen Antrag des dort zuständigen Staatsanwalts auf neue Beweise zum Zustand der Britin anhand eines weiteren Gutachtens lehnte das Gericht im April ab. Der türkische Anwalt des Mädchens rechnet dennoch mit einer Verurteilung. Die Plädoyers am 5. Juni werden erwartet.

Marco muss zwar keine Haft mehr fürchten, weil eine türkische Strafe in Deutschland nicht vollstreckt wird. Seine 247 Tage in Untersuchungshaft haben aber Spuren hinterlassen, die sich wohl nicht so schnell verwischen lassen.