Wie die beiden Lager Schwarz-Gelb und Rot-Grün nach diesem Sonntag regieren wollen - die Programme der Parteien im Vergleich.

Hannover. Am Sonntag hat Niedersachsen die Wahl, beinahe jeder zweite potenzielle Wähler schielt bei seiner Entscheidung nach Einschätzung der Demoskopen auch auf die Bundesebene. Dabei geht es auch im eigenen Land nicht nur um konkrete Einzelfragen: In dem von beiden Seiten offensiv angegangenen Lagerwahlkampf zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün geht es auch um grundsätzliche Weichenstellungen.

Finanz-/Wirtschaftspolitik

Die FDP müht sich in der Schlussphase redlich, aber weitgehend vergeblich, das Thema Neuverschuldung in den Vordergrund zu schieben. CDU und FDP wollen bis zum Jahr 2017 die Neuverschuldung auf null senken - das bleibt angesichts des strukturellen Defizits trotz derzeit sprudelnder Steuerquellen ein ehrgeiziges Ziel. SPD und Grüne wollen erst 2020 ohne Neuverschuldung auskommen. Ihre Reformvorhaben vor allem auf dem Feld der Bildungspolitik will eine rot-grüne Koalition mit höheren Steuereinnahmen durch durchgreifende Reformen auf Bundesebene finanzieren. Alle Versprechen stehen also auf wackeligen Füßen denn sie gehen von einem Machtwechsel auch auf Bundesebene aus.

Bei der Wirtschaftsförderung tut sich nach Regierungswechsel erfahrungsgemäß wenig. Die Schaffung von Arbeitsplätzen gehen beide politischen Lager mit ganz ähnlichen Förderprogrammen an. Niedersachsen nimmt in der Industriepolitik eine Sonderstellung ein, weil das Land sowohl am Weltkonzern Volkswagen wie der Salzgitter Stahl AG mit einer Sperrminorität beteiligt ist. Anders als früher hat es die FDP aufgegeben, eine Privatisierung zu fordern. Die Landesbeteiligungen sichern den Erhalt von weit über 100.000 Industriearbeitsplätzen ab.

Bildungspolitik

Heute startet in Bayern das Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren, Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geht von einem Erfolg aus. Niedersachsen ist damit das letzte Bundesland, das weiter 500 Euro je Semester kassiert, Regierungschef David McAllister spricht aber lieber von Studienbeiträgen. SPD und Grüne wollen die rasche Abschaffung, aber die versprochene vollständige Gegenfinanzierung an den Hochschulen hängt an Steuererhöhungen auf Bundesebene, die wiederum am Ergebnis der nächsten Bundestagswahl hängen.

Bei einem Machtwechsel wird es neue Gesamtschulen geben, weil deren Gründung auf dem flachen Land erleichtert werden soll. Damit aber tritt diese Schulform stärker in Konkurrenz zu Gymnasien, weil sich in ländlichen Regionen anders als in den Ballungszentren wegen der rückläufigen Geburtenzahlen früher oder später die Existenzfrage für einen Schulstandort stellt. Beim Ziel, mehr Ganztagsschulen zu schaffen, sind sich alle Parteien einig. SPD und Grüne wollen die Schulen finanziell besser ausstatten, aber was daraus wird, hängt vom Kassensturz ab. Die neue Schulform Oberschule fasst seit zwei Jahren immer mehr frühere Haupt- und Realschulen zusammen, sichert so Schulstandorte. Im Umkehrschluss ist der Anteil der Anmeldungen für Hauptschulen auf sechs Prozent abgestürzt. Jede neue Landesregierung steht vor der Aufgabe, den Prozess der Abschaffung der Hauptschulen und den Übergang zu einem zweigliedrigen System zu beschleunigen.

Agrar/Umwelt

Bleibt es bei der schwarz-gelben Landesregierung, können die Bauern aufatmen. Im Agrarland Nummer eins bleibt es dann bei einem moderaten Stufenplan für die Schaffung besserer Bedingungen bei der Massentierhaltung. Vor allem die Grünen werden dagegen bei einer Regierungsbeteiligung auf rasche Einschnitte pochen und haben dem potenziellen Koalitionspartner SPD auch schon klargemacht, dass der hier über seinen Schatten springen muss. Bleibt es bei Schwarz-Gelb, wird Niedersachsen nicht im Weg stehen beim Versuch von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), eine neue Endlagersuche anzuschieben - mit Gorleben als einem von mehreren möglichen Standorten.

Verkehrspolitik

Schafft Rot-Grün den Machtwechsel, wird es beim Thema Küstenautobahn und Elbquerung einen ähnlichen Formelkompromiss geben wie in Schleswig-Holstein. Insgesamt sind beim Thema Verkehrsinfrastruktur CDU, SPD und FDP näher beieinander als SPD und Grüne. Aber ob nun der Weiterbau der A 26 aus Richtung Stade nach Hamburg oder die Verlängerung der A 39 über Lüneburg hinaus Richtung Wolfsburg, ob Schienenwege oder Schleusenausbau, die langen Wunschlisten stehen in deutlichem Gegensatz zu den zu erwartenden Investitionsmitteln des Bundes.

Innen/Justiz

Der Koalitionspartner FDP hat sich fest vorgenommen, bei einer Fortsetzung dem CDU-Innenminister Uwe Schünemann einen humaneren Umgang auch mit abgelehnten Asylbewerbern abzutrotzen. Klar ist aber auch: Ein SPD-Innenminister wird sich in Flüchtlingsfragen wie bei der Kriminalitätsbekämpfung profilieren wollen - da gibt es Konfliktpotenzial mit den Grünen.

Kommunales

Wer auch immer nach dem 20. Januar regiert, wird sich der Frage von Kreis- und Gemeindefusionen stellen müssen. Die Organisationen der Landkreise, kreisfreien Städte, aber auch der kreisangehörigen Städte und Gemeinden pochen darauf, dass das Land dieses heiße Eisen endlich anpackt. Kommunale Finanznot und der in Teilen des Landes dramatische Bevölkerungsrückgang sind anders nicht zu bewältigen.