Das atomare Zwischenlager soll besser vor terroristischen Angriffen geschützt werden. Viele Zweifel an Wirksamkeit

Lüneburg. Die atomaren Zwischenlager müssen nachgerüstet werden. Dies verkündete am Donnerstag das Bundesumweltministerium (BMU). "Die baulichen Maßnahmen an den Anlagen dienen dem Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, dazu zählen auch mögliche terroristische Angriffe", heißt es in der Pressemitteilung. Um welche Maßnahmen es sich genau handelt, darüber wird geschwiegen - allerdings ist von einer zehn Meter hohen Mauer die Rede. Werden demnächst also auch in Gorleben Bagger anrollen? Und: Bringt so eine Mauer wirklich etwas?

Auf die erste Frage gibt es derzeit keine konkrete Antwort. "Ich darf leider nichts Konkretes sagen, um die Wirksamkeit weiterer Schutzmaßnahmen nicht zu beeinträchtigen", sagt Jürgen Auer, Sprecher des Gorleben-Betreibers GNS. Dies sei eine bundesweite Anordnung.

Bestätigen darf Auer jedoch, dass die regelmäßigen Überprüfungen der deutschen Zwischenlager, darunter auch Gorleben, ergeben hätten, dass weitere Maßnahmen nötig sind - "das können auch bauliche sein." Er sagt aber auch: "Erwarten Sie von mir nicht zu viel Widerspruch." Geheim blieben mögliche Arbeiten sowieso nicht, es müsste ein Bauantrag gestellt werden.

Auch zu der Frage, wann der Bau beginnen könnte, schweigt Auer. In der Pressemitteilung des BMU heißt es hierzu: "Zur Umsetzung der Maßnahme sind atom- und baurechtliche Genehmigungen erforderlich. Diese Verfahren sind beantragt bzw. werden vorbereitet. Mit Beginn der Baumaßnahmen ist in diesem Jahr zu rechnen." Die Reaktionen von Politikern und Atomkraftgegnern auf die angekündigten Maßnahmen sind gemischt.

Wenig überzeugt zeigt sich die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Ein solcher "Sichtschutzwall" und strengere Personenkontrollen seien kein wirksamer Schutz vor terroristischen Angriffen, heißt es in einer Erklärung.

"Das BMU klammert mit dieser Anweisung an die Betreiber der Zwischenlager wieder einmal die wirkliche reale Gefahr durch einen gezielten Flugzeugabsturz aus, denn das würde die oberirdische Lagerung der Castoren in den luftigen Hallen infrage stellen", sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Ähnlich beurteilt Dirk Werner, Sprecher des Lüneburger Aktionsbündnisses gegen Atomkraft (LAgA), die Angelegenheit. "Von der Straße aus ist das Lager meinetwegen sicher. Aber welcher Terrorist fährt schon mit dem Auto vor?", fragt er ironisch. "Was ist mit der Bedrohung von oben? Von links? Von rechts? Und was ist mit dem Schutz der Bevölkerung vor der Neutronenstrahlung?" Denn die gebe es nach wie vor, und daran könne eine Mauer kaum etwas ändern. "Helfen würde hier nur eine geschlossene Decke, die ist aber nicht möglich, weil die Castoren zu heiß sind." Einen positiven Aspekt sieht er aber: "Ich finde es gut, dass man sich nun, elf Jahre nach dem Anschlag in New York, endlich Gedanken um eine terroristische Bedrohung von atomaren Anlagen macht."

Die angekündigten Maßnahmen seien das Zugeständnis, dass die atomaren Lager in Deutschland - anders als bisher kommuniziert - nicht ausreichend gegen terroristische Angriffe geschützt seien, glaubt auch die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Miriam Staudte. Für sie sind die angedachten Schutzmaßnahmen nicht die Antwort auf eine mutmaßliche Bedrohung, sondern werfen neue Fragen auf. "Wir arbeiten gerade an einer Anfrage an die Landesregierung, um welche Maßnahmen es sich genau handelt", sagt Staudte. "Und ob es vielleicht bei den Atomkraftwerken auch eine neue Einschätzung gibt."

Ob eine zehn Meter hohe Mauer ausreichenden Schutz bietet, bezweifelt auch sie. "Aber es ist gut, wenn es den größtmöglichen Schutz gibt". Allerdings dürfe man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: "Das sind und bleiben keine Dauerlager, auch wenn sie noch so gut gesichert sind. Nach vierzig Jahren muss Schluss sein."

Die Frage nach dem Endlager findet auch der Lüneburger Bundestagsabgeordnete der CDU, Eckhard Pols, dringender als die nach der Effizienz einer Mauer. Die Erkundung des Gorlebener Salzstocks müsse unbedingt wieder aufgenommen werden. "Ich will endlich ein Ergebnis. Welches, ist mir völlig egal. Hauptsache, es gibt endlich eines."

Die Proteste der Gegner könne er "langsam nicht mehr nachvollziehen", so Pols. "Die müssen doch ein ureigenstes Interesse daran haben, dass ein abschließender Bericht vorgelegt wird. Schließlich sind sie sich sicher, dass Gorleben nicht geeignet ist." Er fordert eine "transparente und ergebnisoffene" Standortsuche. "Es kann nicht sein, dass der Gemeinderat in Neuhaus nun beantragt, dass der Salzstock Gülze-Sumpte von der Suche ausgeschlossen wird. Alle wollen ein Endlager, aber bloß nicht vor der eigenen Tür."

Solange aber keine Lösung in Sicht ist, seien weitere Schutzmaßnahmen für die Zwischenlager unumgehbar. "Wenn das Bundeskriminalamt und der Staatsschutz sagen, da muss nachgebessert werden, dann ist das eben so", sagt Pols. Absoluten Schutz gebe es sowieso nicht, auch nicht in Zwischenlagern oder Atomkraftwerken. "Wenn einer wirklich irgendwo rein will, dann kommt er auch rein."

Trotzdem müsse versucht werden, den Sicherheitsstandard so hoch wie möglich zu halten. "Wir dürfen nicht auf dem Standard von 2000 stehen bleiben, die technische Entwicklung geht ja weiter." Auch die Terroristen hätten ihre Möglichkeiten weiterentwickelt, sagt Pols. "Die Bedrohungen ändern sich eben - früher kamen die Terroristen mit einer Handgranate, die sie über den Zaun geschmissen haben, heute haben sie vielleicht eine Panzerfaust dabei."