Wie lebt ein Mann, der ständig witzig sein muss? Fünf Tage im Leben des Komikers und Sportjournalisten Thorsten Bär.

Harburg. Er wechselt blitzschnell die Identität, ist Udo Lindenberg, Tim Mälzer und Jogi Löw zugleich. Sein wortkarges Alter Ego Maik Petersen degradiert als Busfahrer den Fahrgast zum Untertan. Der Stand-up-Comedian Thorsten Bär, 32, ist Gastgeber des Comedy-Clubs im Harburger Stellwerk. Dem Abendblatt gewährte er einen Einblick in seinen nicht ganz gewöhnlichen Alltag.

Montag sollte eigentlich der Feiertag eines Künstlers sein. An diesem Tag aber nicht: Um neun Uhr sitzt Thorsten Bär am Schreibtisch in seiner Wohnung nahe des Hamburger Stadtparks. Via Laptop bietet er verschiedenen Fernsehsendern einen TV-Piloten an. "Das ist kein Mann, der für TV-Stationen Flugzeuge steuert", erklärt er. Gemeint ist ein neues Comedy-Format, in diesem Fall Witze über die Fußball-Bundesliga. Die häufigsten Antworten: "Wir melden uns bei Ihnen" oder "Finden wir total super, aber..."

Eine Stunde später trifft er sich in einem Café mit seinem Regisseur Martin Blau. Die beiden fallen auf. Wild gestikulierend und laut lachend besprechen sie neue Gags und Szenen. Danach ist Mittagessen. "Meist irgendwo Mittagstisch für fünf Euro", beschreibt Thorsten Bär seine Essgewohnheiten.

Am Nachmittag folgt Werbung in eigener Sache: Der Komiker mailt 4000 Kontakte bei Fernsehen und Radio an, dass er nun bei der Agentur Noris Media Management unter Vertrag sei. "Mal sehen, wer anbeißt", denkt er sich. Am Nachmittag ist dann doch irgendwie Sonntag, die Freizeit beginnt. Thorsten Bär, früher ein ambitionierter Mittel- und Langstreckenläufer, geht im Stadtpark joggen. Abends schaut er sich ganz privat die Show eines Kollegen an: Axel Pätz in Alma Hoppes Lustspielhaus.

Der Arbeitstag am Dienstag beginnt zu Hause um neun Uhr am Schreibtisch: Internet-Recherche zu seiner Comedy-Figur Maik Petersen, einem Linienbusfahrer, der seine Fahrgäste verachtet. In verschiedenen Busfahrerforen erfährt Thorsten Bär, wie der Berufsstand denkt. Die Chats der Zunft sind eine Fundgrube für Witze. "Wie komme ich zur Philharmonie?" will der Fahrgast wissen. Antwort: "Üben, üben, üben."

Um 13 Uhr empfängt der Komiker zu Hause zwei sogenannte Realisatoren des Fernsehsenders Vox. Thorsten Bär nimmt an der Sendung "Das Perfekte Dinner" teil. Die beiden Gäste filmen die Wohnung und üben dezent Kritik am Style der Sitzecke: "Ist ja nicht so prall", bemerkt einer. Dann stellen sie noch anspruchsvolle Fragen: Wie er eigentlich zum Kochen gekommen sei, wollen die beiden wissen. Er sei eher der mittelmäßige Koch, gesteht Thorsten Bär. Den TV-Leuten reicht diese Qualifikation. Alles bestens!

Gegen 16 Uhr steigt der Comedian in ein Linienflugzeug nach München. Thorsten Bär berät ein großes deutsches Wirtschaftsunternehmen bei der Entwicklung einer Comedy-Figur für eine Werbekampagne. "Hier verdiene ich mal Geld", sagt Bär. Das Unternehmen spendiert auch das Abendessen, Schweinsbraten, Knödel und Weizenbier, und übernimmt das Hotelzimmer. Um 23 Uhr endet der Tag im Bett.

Am Mittwoch geht das Kreativ-Meeting in der bayerischen Hauptstadt um acht Uhr morgens weiter. Das Ergebnis ist wie so häufig in der Comedy-Branche: Vertagung. "Fix ist noch nix", sagt Bär, "außer dass es weitergeht, ich die Figur wahrscheinlich spielen soll."

Um 15 Uhr arbeitet der Comedian wieder in Hamburg am eigenen Schreibtisch. Er produziert eine neue Folge der Serie "Fehlerteufel" für das Internetportal "Filmstarts". Thorsten Bär vertont dabei Fehlerszenen, die Hollywood sich geleistet hat. Etwa, wenn Bruce Willis in einer Szene mit einem Lkw Autos rammt und die Karosse zerbeult, der Lkw in der nächsten Szene aber plötzlich nicht die kleinste Delle hat. Über Klöpse wie diese Selbstreparatur lässt der Comedian sich genüsslich aus.

Abends übt Bär seinen Zweitberuf aus: Sportjournalist beim Fernsehen. Der studierte Sportwissenschaftler übernimmt beim Spartensender Sportdigital in Hamburg die Rolle des Chefs vom Dienst bei der Liveübertragung des Fußballspiels Cagliari Calcio gegen AC Mailand in der italienischen Liga. Um Mitternacht ist er zu Hause, schaut sich noch eine Aufzeichnung der Harald-Schmidt-Show an.

Donnerstag , heute ist Show im eigenen Comedy-Club in Harburg. Gestern noch im Hotel in München, sitzt Thorsten Bär am Vormittag im Linienbus in Richtung des allenfalls semiprominenten Hamburger Stadtteils Berne, will ein Headset ausleihen. Das Handy klingelt, sein Überraschungsgast sagt kurzfristig ab. An ein ungeschriebenes Gesetz der Branche fühlt der sich nicht gebunden: Einen Ersatzmann nennt er nicht. Da Thorsten Bär so schnell keinen neuen Künstler engagieren kann, entscheidet er, am Abend selbst einzuspringen. "So unter Druck, das sind meine kreativsten Momente", sagt er.

Die Busfahrt nach Berne ist dennoch Gold wert. Bär schnappt einen neuen Busfahrerwitz auf. "Was kostet bei Ihnen das Einsdreißiger-Ticket?", will ein Fahrgast ernsthaft wissen. Der Busfahrer antwortet lakonisch: "Für Sie heute 2,50 Euro." Solche Geschenke des Alltags notiert der Komiker sich auf einem Zettel.

Am Nachmittag plant er die Abendshow weiter, erstellt die Gästeliste, stellt für die Show Einspielsongs und Jingles auf einer CD zusammen. Um 18 Uhr trifft er in der Bahnhofsbühne "Stellwerk" in Harburg ein. Der Gastgeber stellt Stühle auf, begrüßt die Künstler, die langsam eintreffen. Um 20.30 Uhr bespaßt Thorsten Bär zusammen mit seinen Kollegen zwei Stunden lang das Publikum. Inzwischen ein festes Ritual: Nach der Show ziehen Künstler und Personal noch in Richtung Reeperbahn. Auf dem Kiez gibt's nahe der bekanntesten Esso-Tankstelle Deutschlands noch Dithmarscher Bier und Kümmel. Bevor die letzte Bahn fährt, geht es zurück nach Hause.

Nach der After-Show-Party nimmt Thorsten Bär am Freitag die Arbeit etwas später als gewohnt auf. Der Frühstücksmuffel gönnt sich eine Schüssel Müsli, Kaffee trinkt er nur selten. Gegen zehn Uhr sitzt er am Schreibtisch, spricht Gags eines anderen Autoren für die Comedy-Radiosendung "Die Bundesliga in 90 Sekunden" ein. Bär schlüpft dabei als Stimmenimitator in die Rolle von Jürgen Klopp, Felix Magath, Lukas Podolski und Rudi Völler. Eine "schizophrene Show" nennt Thorsten Bär das, wenn er den wilden Kloppo macht und mit den Stimmen bekannter Fußballstars Sätze in das Mikrofon brüllt. Seine Nachbarn in dem Sechs-Parteien-Mietshaus hätten sich daran gewöhnt, behauptet er. Im Übrigen brülle er ja Richtung Außenmauer.

Nach dem Schreien wie auf dem Fußballplatz beginnt um 20.30 Uhr an der Reeperbahn der nächste Job. Thorsten Bär steigt zur Comedytour zu 50 Gästen in einen Bus und soll sie als Alleinunterhalter zum Lachen bringen. Das gelingt heute gut: Die inhomogene Gruppe aus Sachsen, Schwaben und Norddeutschen will Spaß haben. Und nach dem ersten Bier und einem "Kurzen" ist die Stimmung noch besser. Comedy im Bus macht Bär seit zwei Jahren. Er spielt nach einem vorgegebenen Skript, das er mit eigenen Gags ergänzt. Gegen 22 Uhr ist Feierabend. Bis morgen. Dann bespaßt er wieder Kieztouristen im Bus - gleich zweimal.