Sascha Spoun, Präsident der Leuphana, spricht mit dem Hamburger Abendblatt über Konkurrenz, Kooperationen und klamme Kassen.

Lüneburg. Ein neues Jahr bringt neue Herausforderungen. Das gilt auch für die Hochschulen der Metropolregion, die sich nicht nur mit dem demografischen Wandel auseinandersetzen müssen.

Hamburger Abendblatt: Professor Spoun, Sie haben eine grundlegende Neuausrichtung der Universität Lüneburg in Angriff genommen - mit dem Ziel, eine Modelluniversität für den Bologna-Prozess zu werden. Wie weit ist die Universität auf diesem Weg gekommen?

Sascha Spoun: Zum einen haben wir eine inhaltliche Neuausrichtung mit den fachlichen Schwerpunkten Nachhaltigkeit, Kultur, Wirtschaft und Bildung realisiert. Ein weiteres neues Profilmerkmal der Universität entspringt einem veränderten Verständnis von Studium: Wir wollen mehr bieten, als nur eine Ansammlung von Lehrveranstaltungen. Deshalb organisieren wir unser Studienangebot in Schools, also einem College für das Bachelorstudium, einer Graduate School für Master- und Promotionsstudium und einer Professional School für die weiterbildenden Studienprogramme. Für die Studierenden bedeutet das vielfältige Auswahl- und Kombinationsmöglichkeiten von Haupt- und Nebenfächern. Beides stößt auf großes Interesse: In Fachkreisen ebenso wie bei den Studienbewerbern. Wir haben für das laufende Wintersemester über 10 000 Bewerber auf 1700 Studienplätze im College gehabt. Und die Studienanfänger entscheiden sich ganz bewusst für die Leuphana, das zeigen uns die überdurchschnittlich hohen Annahmequoten. Das ist ein erfreuliches Ergebnis, denn offenbar ist es uns gelungen, Lüneburg mit dem neuen Studienmodell weiter als attraktiven Standort für Studierende zu verankern. Auch viele der neuen Professoren, die sich bei uns bewerben, tun dies aufgrund der Neuausrichtung der Universität.

In den nächsten Jahren wird die Zahl der Studienbewerber aus demografischen Gründen sinken. Fühlen Sie sich im Vergleich zu größeren Universitäten dem "Kampf um die besten Köpfe" gewachsen?

Spoun : Es gibt Universitäten, die werden gerne aufgrund ihres Standortes gewählt, das gilt zum Beispiel für Berlin oder München. Die werden immer stark nachgefragt sein. Andere Universitäten müssen auf ein eigenständiges, attraktives Profil setzen. Diesen Weg haben wir eingeschlagen. Dabei können wir uns nicht auf die Region Nordostniedersachsen beschränken, denn sie ist nur dünn besiedelt. Wir müssen und wollen mit unserem Profil überregional interessant sein und Studierende auch aus anderen Einzugsgebieten ansprechen. Die Qualität und die Bekanntheit unseres akademischen Profils, die Leuphana als innovativer Ort, das sind wichtige Voraussetzungen dafür, angesichts des demografischen Wandels im Wettbewerb um die besten Köpfe auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Gibt es auch Ergänzungen zur Standortsicherung, die Sie sich von der Politik wünschen?

Spoun: Eine wesentliche Weichenstellung ist ja bereits erfolgt. Die Politik in Niedersachsen hat schon unter Wissenschaftsminister Oppermann einen großen Schritt nach vorne gemacht, indem sie Universitäten die Möglichkeit eröffnete, in die Trägerschaft einer Stiftung des öffentlichen Rechts zu wechseln. Dieses höhere Maß an Unabhängigkeit vom Staat zahlt sich aus. Standorte, an denen Stiftungsuniversitäten in Niedersachsen existieren - also etwa Göttingen und Lüneburg - haben das genutzt und sich hervorragend entwickelt. Uns hat das sehr dabei geholfen, unser eigenständiges Profil zu entwickeln.

Wie sehen Sie die Rolle der Leuphana in Konkurrenz zu den nächst größeren Universität in Hamburg?

Spoun: Für mich gibt es kein Konkurrenzverhältnis. Jede gute Metropolregion hat verschiedene Hochschulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Wir bieten ein Studium, das die Hochschulen in Hamburg nicht anbieten können und auch nicht anbieten müssen. Während man in Hamburg alle Vorteile einer Großstadt-Uni hat, bieten wir alle Vorteile einer Campus-Uni, also etwa eine enge Zusammenarbeit der Fächer, eine überschaubare Größe und ein gutes Betreuungsverhältnis von Lehrenden zu Studierenden. In der Metropolregion ist also ausreichend Platz für mehrere Hochschulen, wenn sie denn attraktive Angebote vorweisen können.

Um ein eigenes Netzwerk aus Wirtschaft und Bildungseinrichtungen in der Metropolregion zu gründen, gab es im letzten Jahr an der Leuphana die erste Regionalkonferenz. Seitdem allerdings hat man über das Thema wenig gehört.

Spoun: Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert, dass die Regionalkonferenz im letzten Herbst an einer Universität stattgefunden hat und der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen zu Gast war. Das zeigt: Die Landesregierung hat verstanden, dass Universitäten wichtige Standortfaktoren darstellen. Den Netzwerkgedanken verfolgen wir intensiv, haben inzwischen rund 120 Kooperationen im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg allein im Zusammenhang mit der Arbeit des Innovations-Inkubators an der Leuphana in Gang setzen können. Beteiligt sind Wirtschaftsunternehmen ebenso wie soziale Einrichtungen, Vereine und Forschungsstätten aus der gesamten Region. Grundsätzlich gilt aber, dass die Arbeit im universitären Bereich immer in längerfristigen Zyklen betrachtet werden muss. Beziehungen, die hier gedeihen sollen, brauchen eine intensive Pflege.

In den Augen vieler Menschen hat die Globalisierung nichts Gutes gebracht. Wir erleben derzeit einen gewissen Rückzug, viele möchten sich wieder mehr auf die Region und die regionalen Probleme konzentrieren. Wie sehen Sie dabei die Stellung der Hochschule, gibt es einen Konflikt zwischen Globalisierung und den Interessen der Region?

Spoun : Als einzige Universität im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg fühlen wir uns natürlich unseren lokalen Wurzeln verpflichtet, wollen unseren Beitrag dazu leisten, die Region weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch qualifizierte Absolventinnen und Absolventen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir offensiv mit der Globalisierung umgehen. Deshalb wollen wir für einige Themen zu einem relevanten Ort in der weltweiten Debatte werden. Nur so kann es gelingen, den Standort attraktiv zu machen beispielsweise für sehr gute Doktoranden oder Gastprofessuren.

Wird die Attraktivität der Universitäten vor dem Hintergrund schwindender öffentlicher Mittel denn zu halten sein?

Spoun: Damit sprechen Sie ein zentrales Problem an. Für die Universitäten wird es in Zukunft immer wichtiger, zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen. Die klassische Hochschulfinanzierung wird nur noch eine Grundausstattung sicherstellen können. Wichtig werden zusätzliche Investitionen wie aus dem europäischen EFRE-Fonds für unseren Innovations-Inkubator. Es geht um Wirtschaftsentwicklung durch Wissenschaft. Darin liegt eine große Zukunftsaufgabe für die Universitäten: Sie müssen ihren Sinn und Zweck in der Gesellschaft deutlich machen und auch belegen. Darauf, dass öffentliche Gelder ohne Leistungsauftrag immer knapper werden, muss man sich rechtzeitig vorbereiten, denn der internationale Wissenschaftsbetrieb ist wettbewerbsintensiv und teuer. Auch deshalb wird die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen immer wichtiger. Dafür müssen wir das vorhandene Geld so investieren, dass es für Forschungsförderung und die Gesellschaft attraktiv wird, in uns und unsere Arbeit zu investieren. Das ist eine völlig neue Grundkonstellation. In einer strukturschwachen Region wie Lüneburg stellt uns das vor besondere Herausforderungen.