Die Unternehmen der Region führen vielfach sinnlosen Papierkrieg. “Weg damit“ fordern sie von Schwarz-Gelb.

Lüneburg. Kurz vor der Bundestagswahl am 27. September befragten die Industrie- und Handelskammern ihre Mitgliedsunternehmen nach den wichtigsten Aufgaben der neuen Bundesregierung in Sachen Wirtschaft. Die Online-Befragung fand bundesweit statt - rund 15 Prozent der Betriebe, die mitgewirkt haben, stammen aus Norddeutschland.

Die Kritik der Unternehmen an der Wirtschaftspolitik der letzten Jahre ist einhellig: Eine große Mehrheit der Firmen fordert vor allem einen Abbau von Bürokratie. Eine Forderung, die Frank Ahlborn, Volkswirt bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade für die Handwerksbetriebe in der Region ohne Abstriche unterstützt: "Natürlich kommt in Sachen Bürokratie vieles aus Brüssel", sagt er. Trotzdem sollte an dem Thema auch auf Bundesebene weiter gearbeitet werden: "Es gibt auch deutsche Vorschriften, die den Betrieben die Arbeit erschweren und viel Zeit kosten."

Das Ausfüllen von Formularen und die Umsetzung neuer Regeln bindet Personal. Ein Beispiel: "Handwerksbetriebe müssen sich wie LKW-Fahrer behandeln lassen, wenn sie Fahrzeuge von mehr als 3,5 Tonnen steuern. Sie haben dann ihre Fahr- und Lenkzeiten gesondert zu dokumentieren", sagt Ahlborn.

Aber nicht nur überflüssige Dokumentationspflichten, sondern auch das deutsche Steuersystem insgesamt wird kritisiert. Sorgen macht sich Frank Ahlborn vor allem um die von den Politikern mehrfach vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung. "Diese Maßnahme würde das Handwerk hart treffen", sagt er. "Wenn Dienstleistungen teurer werden, steigt die Zahl der Schwarzarbeiter, besonders in Zeiten konjunktureller Krisen", sagt Ahlborn.

Zwar hat die Unternehmenssteuerreform im Jahr 2008 die Steuersätze für Unternehmen gesenkt - das gilt aber vor allem für große Betriebe. Die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren weniger davon. "Außerdem gab es auch neue Belastungen", sagt Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg-Stade. Zu undurchschaubar ist das Steuerrecht: "Wir brauchen klare Strukturen und einfache Bemessungsgrundlagen", sagt Zeinert.

Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hält er außerdem für geboten: "Dabei geht es nicht nur um die Lockerung des Kündigungsschutzes. Ich plädiere dafür, in Zukunft auch mehr befristete Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen", sagt Zeinert. "Es geht nicht darum, auf dem Arbeitsmarkt amerikanische Verhältnisse zu schaffen. Wir wollen mehr Beschäftigung. Ein Weg dahin können flexiblere Abfindungsregelungen im Arbeitsvertrag sein."

Eine Senkung der hohen Arbeitskosten sehen viele der befragten Firmen ebenfalls als notwendig an: "Das soziale Sicherungssystem war einer der stabilisierenden Faktoren in der letzten Krise", sagt Michael Zeinert. Insbesondere die Regelungen zum Kurzarbeitergeld haben geholfen, Druck vom Arbeitsmarkt fern zu halten. Einen Umbau des Systems wünscht sich dennoch eine Mehrheit der befragten Betriebe: Nur mit einer deutlichen Senkung der Arbeitskosten in Deutschland können sie ihrer Ansicht nach im internationalen Wettbewerb bestehen.

Ist die soeben von der FDP vorgeschlagene Streichung von Hartz IV der richtige Weg, um die Sozialsysteme zu entlasten? "Es muss Anreize geben, um eine Arbeit aufzunehmen. Zurzeit funktioniert das in unserem System nicht", sagt Zeinert.