Engagierten Bürgern ist die Installation eines vergessenen Mahnmals des Sohnes der Stadt im Hafen gelungen.

Bleckede. Nach Bleckede zurückgekehrt ist ein großes Werk von Jörg Immendorff - eines Sohns der Stadt, der erst jetzt, zwei Jahre nach seinem Tod, wieder präsent sein darf an seinem Geburtsort. Es ist die Reproduktion des hintersinnigen Doppelbildes "Projekt Teilbau Bleckede", dass Immendorff zum 30-jährigen Bestehen der beiden Teile Deutschlands malte. Der stets politisch denkende Maler, für den kulturelle Identität kein Lippenbekenntnis war, hatte es der Kleinstadt an der Elbe vermacht. Am 11. Oktober 1979 platzierte Immendorff die monumentale Leinwand auf einem ehemaligen Kransockel im Hafen - weithin sichtbar diesseits und jenseits und der deutsch-deutschen Grenze.

"Das Werk stand nicht lange", erinnert sich Ernst Tipke, der zu jener Zeit die Außenstelle Bleckede der Heimvolkshochschule Barendorf leitete. "Neben den Spuren die Wind und Wetter hinterließen, war es an verschiedenen Stellen mit einem Messer aufgeschlitzt." Tipke nahm Briefkontakt zu Immendorff auf und schilderte ihm die Situation vor Ort. Der kam, rollte die Leinwand mit der Bemerkung ein, die Stadt habe nun 60 000 DM verloren und kehrte an seine Wirkungsstätte Düsseldorf zurück. "Man hätte das Werk damals schon mit einem Glaskasten schützen müssen", so Tipke.

Nun jedenfalls hängt es wieder und Bleckeder, Ausflügler und Immendorff-Fans dürfen es bis voraussichtlich 26. November betrachten. Der "Stern", Nr. 44 vom 25. Oktober 1979, schrieb dazu:

"Seit kurzem können die DDR-Grenzer mit ihren Präzisionsferngläsern eine 3,10 mal 2,20 Meter große Bildwand sehen, die ihnen Vertrautes sehr verfremdet zeigt: das DDR-Emblem. Hammer und Zirkel, umgestaltet zu einer Art Garotte, deren Zwingschrauben drohend auf das Licht einer Kerze gerichtet sind. Daneben die massige Gestalt eines Mannes, dessen Ledermantel den Stasi-Agenten verrät."

Die Bildfläche, teils mit grellen, teils düsteren Acrylfarben gemalt, hat auch eine Rückseite - gen Westen orientiert. Hier drängt sich ein Verfassungsschützer ins Bild, das gleichfalls von einem Staatsemblem beherrscht wird: dem Bundesadler. Der gerupfte Kopf und die zerzausten Schwingen des Wappenvogels wachsen aus einem dreidimensionalen Warnsignal für radioaktive Strahlung.

Auf einer kleinen Holztafel hielt Immendorff sein Anliegen fest. Er wehrte sich gegen das touristische Abschreiten der Grenze. "Ich verstehe das Projekt Teilbau Bleckede als einen von vielen nötigen Beiträgen gegen eine Zementierung auf ewig durch einen schleichenden Gewöhnungsprozess. Das Thema Grenze und Teilung gehört nicht in die Mottenkiste." Ernst Tipke beschreibt es in seinen Worten: "Wir hatten uns an die Grenze gewöhnt, den Metallzaun, den Wachturm und die Grenzsoldaten. Es gab Geld aus dem Topf der Zonenrandförderung und alle waren ruhig."

Tipke begleitete über die Jahre den Werdegang Immendorffs und hielt losen Briefkontakt. Mit großem Engagement gelang es ihm und einigen Bürgern der Elbstadt, eine Reproduktion des Werks im Hafen wieder zu installieren. Die Aktion kostete die Immendorff-Freunde 1200 Euro. Unterstützt wurden sie vom Bauhof der Stadt.

Vor 30 Jahren war Immendorff nicht mit offenen Armen empfangen worden. Der "Stern" zitierte Bleckedes Stadtväter so: "Wir hoffen, dass nichts dran ist, was provozieren könnte, zum Inhalt wollen wir nicht Stellung nehmen." Bis er es geschafft hatte, sein Projekt zu installieren, waren zahlreiche Genehmigungen nötig. Mittlerweile wächst die Akzeptanz der Bürger. Dazu beigetragen hat eine Immendorff-Ausstellung im Gerhard-Fietz-Haus in Göddingen. Eine Gedenktafel erinnert an das Geburtshaus des Malers in der Lauenburger Straße und die Hauptschule Bleckede heißt nunmehr Jörg-Immendorff-Schule. Sie ist bislang die einzige deutsche Schule, die seinen Namen trägt.