Jascha Stein (20) will unbedingt Maurer werden. Mit dem traditionellen Berufsbild von früher hat das aber nicht mehr viel zu tun.

Lüneburg. Vor dem großen, offenen Tor der Lagerhalle steht ein LKW mit einem Kranaufbau, in den Metallregalen an den Wänden stapeln sich Baumaterialien und Werkzeuge auf Euro-Paletten. Jascha Stein und seine neuen Kollegen Nico Schröder und Paul Sitniko stehen um einen runden weißen Plastiktisch herum und warten.

Aufgeregt sind sie kaum - sagen sie. Schließlich wissen sie ja, was sie erwartet. Zumindest denken sie das. Jascha ist heute früh aufgestanden, um sechs Uhr schon. "Scheißefrüh ist das", sagt er - aber daran wird sich in den nächsten zwei Jahren wohl nichts ändern. Denn ab heute ist Jascha einer von drei neuen Auszubildenden bei der Q-Bau GmbH in Lüneburg, einem regionalen Roh- und Neubauunternehmen.

Dann kommt der Chef. Den kennen die drei schon, weil sie alle schon ein kurzes Praktikum bei ihm gemacht haben, im Rahmen ihres Berufsgrundbildungsjahres an der Berufsfachschule. Günter Quardon, der Inhaber von Q-Bau, überreicht seinen drei neuen Jungs ihr erstes persönliches Werkzeug: Zollstock und Bleistift. "Jetzt können wir Häuser bauen, da sind wir richtig gut ausgestattet", scherzt Azubi Nico. Aber dann wird es ernst. Quardon weiht seine Lehrlinge in die wichtigsten Sicherheitsvorschriften und Verhaltensregeln ein. Dazu zählen für ihn Pünktlichkeit und Erreichbarkeit: "Wir sind ja wie ein Wanderzirkus, da muss man eben unbedingt ein paar Regeln einhalten", mahnt Quardon. Und dazu gehört nicht nur, dass ein guter Lehrling immer an sein Werkzeug denkt, sondern auch, dass das Diensthandy immer an ist - zur Not auch morgens um fünf.

Noch wichtiger ist für Quardon aber das Tragen der Schutzkleidung. "Wer die morgens nicht dabei hat, kann gleich wieder umdrehen", droht der Chef. "Nur weil einer ein Hühnerauge hat, darf er nicht mit bequemen Turnschuhen ankommen!" Die Ansage ist klar. "Am Bau" herrscht ein rauer Ton. Das versucht Günter Quardon seinen neuen Auszubildenden beizubringen, auch wenn er selbst gar nicht den Eindruck macht. "Jeder versucht natürlich, unliebsame Aufgaben auf die Lehrlinge abzuwälzen", warnt er seine jüngsten Mitarbeiter.

Und dann geht es los: Jaschas erster "richtiger" Tag auf dem Bau. Es ist warm, und die Sonne knallt auf die Baustelle gegenüber der Tankstelle Vor dem Bardowicker Tore. Immer wieder schiebt sich Jascha die Ärmel seines Sweatshirts hoch. Und immer wieder schaut er sich um, als direkt hinter ihm ein riesiger Kettenbagger in die Baugrube rollt, während der Lehrling seinem Chef beim Vermessen der Fluchten hilft. Der Motor röhrt, die Kette quietscht und es kracht, als die Schaufel auf den Sand knallt - so ganz geheuer ist dem 20-Jährigen die Riesenmaschine noch nicht. Zumal der Schaufelarm schnell und scheinbar unkontrolliert um den Bagger schwingt.

Dann heißt es "schleppen": lange Holzlatten für die Verschalung des Rohbaus eines neuen Bürogebäudes. Lärm, Hitze, Knochenarbeit - das alles wirkt nicht gerade wie ein Traumjob. Für Jascha Stein schon. "Ich bin gerne jeden Tag draußen, und körperliche Arbeit macht mir Spaß", sagt der 20-Jährige lächelnd. Man nimmt es ihm ab.

Jascha hat die Hauptschule besucht, dann auf der Berufsfachschule seinen Realschulabschluss gemacht. "Ich hab's auch schon mal als Tischler versucht", sagt er, "aber da musste ich jeden Tag dasselbe machen." Als Maurer verspricht er sich mehr Abwechslung im Arbeitsalltag. Und noch etwas reizt ihn am Maurerdasein: "Man verdient gut Kohle!" Zumindest in diesem Punkt sind sich die drei Azubis einig. Auch wenn das Einkommen im zweiten Lehrjahr, in dem sie jetzt nach einem Jahr Berufsfachschule sind, mit 922 Euro noch recht überschaubar ist. Brutto, versteht sich.

Dafür werden Jascha, Nico und Paul in den nächsten zwei Jahren richtig viel lernen. "Wenn die Jungs mit der Lehre fertig sind, werden sie bestimmt an die 35 verschiedene Baumaschinen benutzt haben - Sägen, Bohrer, Schneidegeräte, Mauerversetzkräne", sagt Ausbilder Quardon. "Dass ein Maurer Wände mauert, das war einmal." Auf dem Bau werden heute keine kleinen Ziegel mehr aufeinander gesetzt, sondern Planelemente, die 80 bis 360 Kilo wiegen. Da sind Logistik, Rationalisierung und Organisation gefragt.

"Ein Maurer muss es heute nicht nur in den Armen haben, es muss auch was im Kopf sein", weiß Quardon. Aber den Eindruck habe er bei seinen neuen Azubis. "Auf solche Lehrlinge freut man sich dann besonders."