Im Gespräch mit der Lüneburger Rundschau gibt der Hauptgeschäftsführer Fehlentwicklungen in der Vergangenheit zu, weist aktuelle Vorwürfe jedoch zurück.

Laut juristischem Gutachten des Betriebsrenten-Experten Jürgen Glock aus Stuttgart verstößt die IHK Lüneburg-Wolfsburg wegen Sonderleistungen an aktive Mitarbeiter sowie überhöhte Pensionszahlungen an Ruheständler gegen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Sogar eine Zahlungsunfähigkeit sei möglich - ein Dilemma für IHK-Chef Michael Zeinert.

Lüneburger Rundschau:

Ein von der IHK eingesetzter Expertenausschuss zweifelt das Gutachten von Jürgen Glock an. Ihr Anwalt Klaus Neef soll jedoch gesagt haben, es sei im Ergebnis richtig.

Michael Zeinert:

Diese Aussage kenne ich nicht. Der Expertenausschuss sagt: Die Grundannahme, wir wären einer Behörde gleichgestellt und müssten uns daher nach den Vorschriften für Beamtenbesoldung und öffentlichem Tarifvertrag richten, ist falsch. Wir sind keine Behörde, wir sind eine Selbstverwaltung und besitzen Finanz- und Personalhoheit. Daher gilt, was gelten soll, das heißt, was zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart ist.

Rundschau:

Und was ist vereinbart?

Zeinert:

Monatsgehälter zahlen wir entsprechend der Eingruppierung im BAT, beim Weihnachts- und Urlaubsgeld haben wir uns noch nie daran orientiert. Zurzeit bereiten wir Verhandlungen über ein neues Vergütungsmodell vor. Das soll zwölf Gehälter und eine leistungsorientierte Komponente anstelle des Weihnachtsgeldes umfassen. Wir wollen weg von BAT und TVÖD, weil wir diese Systeme für uns für nicht zeitgemäß halten.

Rundschau:

Laut Gutachten verstoßen Sie damit gegen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.

Zeinert:

Das ist falsch und berücksichtigt nicht die individuelle Vertragsgestaltung bei uns im Haus. Wir sind nicht dazu verpflicht, Gehälter an der unteren Grenze zu zahlen. Wir müssen in der Lage sein, diejenigen Mitarbeiter zu bekommen, die wir gerne haben möchten.

Rundschau:

Laut Gutachten werden bei einzelnen Ruheständlern die staatlichen Renten nicht auf das Ruhegeld angerechnet.

Zeinert:

In zwei Fällen spricht vieles dafür. Da die Aufbewahrungsfrist für die entsprechenden Akten jedoch überschritten ist und die Personen seit den frühen 80er-Jahren im Ruhestand sind, könnten wir bei einem Rechtstreit nicht nachweisen, in welchem Umfang die staatliche Rente auf freiwilligen Beiträgen der beiden Pensionäre basiert. Es ist also unklar, in welchem Umfang gekürzt werden könnte.

Rundschau:

In einem Fall wurde es einer Mitarbeiterin ermöglicht, ihr IHK-Gehalt nicht der Landesversorgungsstelle zu melden, damit ihr Witwengeld nicht gekürzt wird.

Zeinert:

Diese Vertragsgestaltung ist außerordentlich unglücklich und wäre heute nicht mehr möglich.

Rundschau:

Die Dame erhält noch heute ein 13. Ruhegeld, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gibt.

Zeinert:

Die rechtliche Grundlage ist ein Präsidiumsbeschluss aus dem Jahr 1994. Ich habe den Auftrag, diese Situation und eventuelle Eingriffsmöglichkeiten dem Präsidium aufzuzeigen und zu klären.

Rundschau:

Hat das Glock-Gutachten laut Ihrem Expertenausschuss denn in allen Punkten Unrecht?

Zeinert:

Nein. Es liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage unserer Altersversorgung vor, und es besteht Handlungsbedarf. Bei den Ruheständlern können wir nicht eingreifen, bei Mitarbeitern mit Arbeitsvertrag seit April 2000 ist die Altersversorgung bereits deutlich abgespeckt auf das Niveau einer Riester-Rente. Bei den übrigen müssen wir die betriebliche Altersversorgung auf eine zeitgemäße Grundlage stellen. Die muss rechtlich tragfähig sein, und das sind die Empfehlungen des Glock-Gutachtens nicht.

Rundschau:

Personalrat und Geschäftsführung arbeiten an einer Neuregelung. Es gibt jedoch bereits eine, die Ihr Vorgänger Wolfram Klein im März 2008 abgeschlossen hatte. Laut Finanzstatut der IHK dürfen bestehende Verträge aber nicht zum Nachteil der Kammer verändert werden.

Zeinert:

Es ist so, dass Nachteile nur in besonders begründeten Ausnahmen in Kauf genommen werden dürfen.

Rundschau:

Sie sagen, die Zahlungsfähigkeit der Kammer ist und war gegeben. Glock aber sprach von der Zukunft.

Zeinert:

Wir werden auch in Zukunft jederzeit in der Lage sein, unseren Pensionsverpflichtungen nachzukommen. Es herrscht bereits heute ein Deckungsstock von 93 Prozent. Zurzeit fehlen noch drei Millionen Euro, die werden wir in den nächsten 15 Jahren aufbauen. Die nötigen 200.000 Euro im Jahr bewerkstelligen wir aus dem laufenden Budget.

Rundschau:

Das laufende Budget wird weiter sinken. Wie reagiert die IHK darauf?

Zeinert:

Wir haben in unserem Wirtschaftsplan 2009 bereits Beitragseinbußen von fünf Prozent eingeplant, das sind 500 000 Euro. Wir sind aber vorsichtig und haben daher ein Sparprogramm aufgelegt. Die Wirtschaftskrise wird sich erst 2011/12 nachhaltig auf unseren Haushalt auswirken. Wir warten auf die regionalisierte Steuerschätzung, stellen für die Wirtschaftsplanung im Herbst Hochrechnungen an. Wir versuchen, in allen Bereichen zu sparen.

Rundschau:

Was bedeutet das für die Zahl der Mitarbeiter?

Zeinert:

Bei frei werdenden Stellen prüfen wir individuell, ob wir sie wiederbesetzen. Wir werden auch Personalkosten sparen. Außerdem sprechen wir über Kooperationen mit anderen IHK.

Rundschau:

Auch über Fusionen - etwa mit der Braunschweiger IHK?

Zeinert:

Mit der IHK Braunschweig verhandeln wir über einen Kooperationsvertrag. Eine Fusion ist kein Thema.

Interview: Carolin George